Forschendes Lernen
Thesen
- Forschendes Lernen ermöglicht Studierenden Lernprozesse im Format der Forschung.
- Lernende werden befähigt, subjektiv Neues zu erforschen und so gleichzeitig sowohl mit wissenschaftlichen Arbeitsprozessen vertraut zu werden als auch nachhaltig Wissen und Erkenntnisse zu gewinnen.
- Die Studierenden entwickeln Fähigkeiten, die über Fachwissen und methodisches Wissen hinausgehen – vor allem Eigenständigkeit, aber auch die emotionalen und sozialen Seiten des Lernens.
- Diese Fähigkeiten sind notwendig, um später im Beruf Aufgaben kompetent und systematisch bearbeiten zu können.
- Das Prinzip Forschendes Lernen zielt auf wissenschaftliche Handlungskompetenz ab und betont und verknüpft theoretische und praktische Seiten des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses.
- Beim Forschenden Lernen geht es darum, in der Begegnung mit wissenschaftlich forschenden Arbeitsprozessen die Bedeutung von Theoriewissen zu erfahren, den Umgang damit zu erlernen und sich an der Entstehung und Weiterentwicklung dieses Wissens zu beteiligen.
- Als Resultat Forschenden Lernens steht kein „träges Wissen“, sondern „Können“, das in neuen Situationen eingesetzt werden kann.
Forschendes Lernen: Begriff, Begründungen und Herausforderungen
1. Zum Begriff des Forschenden Lernens
1970 hat die Bundesassistentenkonferenz in ihrer viel zitierten Schrift „Forschendes Lernen - Wissenschaftliches Prüfen“(1970) das Forschende Lernen, ein Kernelement der Humboldt’schen Universitätskonzeption, als ein maßgebliches hochschuldidaktisches Prinzip auch für eine moderne, demokratische Hochschule neu konzipiert und herausgestellt. Seitdem ist dieses Konzept in zahllosen Texten und Programmen beschworen und in verschiedenen Kontexten, in den letzten Jahren wieder zunehmend, ansatzweise umgesetzt worden. Naturgemäß sind Begriff und Abgrenzung dabei undeutlich geworden. Es ist daher bei jeder Diskussion und Implementation nötig, sich zunächst darüber zu verständigen, was gemeint ist. Trotz der unaufhebbaren Vielfalt der institutionellen und fachlichen Kontexte und der Auffassungen und Gestaltungen von Forschendem Lernen stelle ich hier den Versuch einer Definition an den Anfang.
1.1 Definition
„Forschendes Lernen zeichnet sich vor anderen Lernformen dadurch aus, dass die Lernenden den Prozess eines Forschungsvorhabens, das auf die Gewinnung von auch für Dritte interessanten Erkenntnissen gerichtet ist, in seinen wesentlichen Phasen - von der Entwicklung der Fragen und Hypothesen über die Wahl und Ausführung der Methoden bis zur Prüfung und Darstellung der Ergebnisse in selbstständiger Arbeit oder in aktiver Mitarbeit in einem übergreifenden Projekt - (mit)gestalten, erfahren und reflektieren“ (Huber 2009, S.11).
Daraus sei hier nur die Bestimmung „auf die Gewinnung von auch für Dritte interessanten Erkenntnissen gerichtet“ noch einmal hervorgehoben. Wenn Kritiker des Konzepts fordern, dass Forschendes Lernen, wenn es den Namen Forschung verdienen solle, auch Ergebnisse hervorbringen müsse, die im universalen Rahmen „neu“ sind oder „die Disziplin verändern“, erheben sie einen Anspruch, den studentische Arbeiten selten erfüllen werden. Allerdings stehen dann m.E. auch große Teile dessen in Frage, was Lehrende und Mitarbeiter im wissenschaftlichen Alltagsbetrieb als Forschung betreiben. Die Bundesassistentenkonferenz hat als gemeinsamen Kern der Forschung und des Forschenden Lernens nicht die Neuheit des Ergebnisses, sondern den Prozess der ständigen Befragung jeder vorliegenden Aussage und der methodisch-systematischen Anstrengung, sie zu überholen, herauszustellen versucht (1970, Textziffer 4.14). Deren Ergebnis sollte folglich auch für Dritte von Interesse sein, sei es für die „scientific community“ auf einer Tagung, sei es für eine Fachbereichs- oder Hochschulöffentlichkeit auf einem Forum oder in anderen ähnlichen Formen. In jedem Fall sollte als Ergebnis nicht nur der Lerngewinn oder die Lernleistung für den Lernenden zählen.
Forschendes Lernen unterscheidet sich eben dadurch von anderen, durchaus verwandten hochschuldidaktischen Konzepten; es hat von jedem dieser Ansätze etwas, setzt aber auch jeweils einen spezifischen Akzent.
1.2 Verwandte Konzepte: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Idealtypisch gesehen gehört zweifellos zu Forschendem Lernen, dass die Studierenden selbst eine sie interessierende Frage- bzw. Problemstellung entwickeln (insofern: lernerzentriert) oder sich für eine solche durch die Lehrenden gewinnen lassen. Aber diese Fragestellung sollte nicht nur zufällig subjektiv bedeutsam (insofern nicht nur an den Studierenden orientiert) sein, auch nicht nur als methodisches Prinzip („entdeckendes Lernen“) angewandt werden, sondern, wie wissenschaftliche Arbeit überhaupt, auf die Gewinnung neuer Erkenntnis gerichtet, d.h. im oben genannten Sinne: für Dritte von Interesse sein. Diese Suchbewegung kann von einem konkreten Problem oder Fall ausgehen, gleicht also darin dem Problem-based Learning (PBL), aber anders als bei jenem sollte dies ein selbst gefundenes oder gewähltes Problem sein, und auch im weiteren wird in der Entwicklung eigener Methoden und weiterer Untersuchungen über PBL hinausgegangen. Forschendes Lernen könnte sich zwar auch unabhängig von Lehrenden und Lehrveranstaltungen (independent learning) vollziehen; nach dem alten Ideal der Universität aber sollte es in der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden betrieben werden; nach den neuen Zielsetzungen soll es auch soziales Lernen zur Entwicklung sozialer Kompetenzen fördern. Im Forschenden Lernen soll Wissenschaft gerade als sozialer Prozess erfahren werden. Insofern reicht die Ermöglichung Forschenden Lernens über die Einrichtung einer Lernumgebung, in der Studierende individuell lernen und evtl. forschen (Individualisierung), hinaus.
Am engsten ist es benachbart zum Projektstudium, nur dass es bei Forschendem Lernen nicht notwendig um praktische Ergebnisse (Produkte), sondern zunächst um theoretische Einsichten geht. Auch die Partizipation von Studierenden an größeren Forschungsprojekten eines Instituts kann diesen Zielen dienen, selbst wenn das nur durch irgendeine Teilarbeit möglich ist. Voraussetzung ist, dass sie Gelegenheit bekommen, den Zusammenhang des Projekts, an dem sie mitwirken, zu begreifen und auch den gesellschaftlichen Kontext und die Verantwortung der Wissenschaft mit zu diskutieren.
Denn das Wichtige am Prinzip des Forschenden Lernens ist die kognitive, emotionale und soziale Erfahrung des ganzen Bogens, der sich von der Neugier oder dem Ausgangsinteresse aus, von den Fragen und Strukturierungsaufgaben des Anfangs über die Höhen und Tiefen des Prozesses, Glücksgefühle und Ungewissheiten, bis zur selbst (mit-)gefundenen Erkenntnis oder Problemlösung und deren Mitteilung spannt. Schneider/Wildt (2009) beschreiben diesen Bogen als „Forschungszyklus“ ausführlicher und zeigen auf, wie er sich mit dem allgemeineren grundlegenden Lernzyklus (des Lernens durch Erfahrung) verbinden lässt.
2. Begründungen und Herausforderungen
Wer sich der Aufgabe, ein offensichtlich so komplexes und anspruchsvolles Lehr-Lern-Konzept wie das Forschende Lernen umzusetzen, stellen will oder soll, wird gute Gründe dafür verlangen. Im Folgenden seien drei Begründungsstränge, die sich durch die ganze Diskussion des Forschenden Lernens wie auch der verwandten Konzepte hindurchziehen, kurz zusammengefasst (ausführlicher vgl. Huber 1998, 2009).
2.1 Begründungen
2.1.1 Bildung durch Wissenschaft
Die erste Begründung, eine bildungstheoretische, beruft sich auf die Tradition des Nachdenkens über die neuzeitliche Universität.
Für die geistigen Väter der „Idee der Universität“ zu Beginn des 19. Jahrhunderts war klar: Wenn Wissenschaft bildet, dann nur Wissenschaft, die man - als unabgeschlossene - selbst "treibt", nicht die, die man - als abgeschlossene - vermittelt bekommt:
„Es ist ferner eine Eigentümlichkeit der höheren wissenschaftlichen Anstalten, dass sie die Wissenschaft immer als ein noch nicht ganz aufgelöstes Problem behandeln und daher immer im Forschen bleiben …. Das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler wird daher durchaus ein anderes als vorher … Denn nur die Wissenschaft, die aus dem Innern stammt und ins Innere gepflanzt werden kann, bildet auch den Charakter um …“(Humboldt 1809 – 10/ 1956, S. 377 f., 379; vgl. auch Schleiermacher 1808/1956, S. 238).
Vorgestellt war dabei eine philosophierende Wissenschaft, die dem Ziel der Aufklärung verpflichtet und mit Selbstreflexion verbunden ist (ohne die ja auch „Bildung“ nicht denkbar ist). Dieser Reflexion sind auch schon bei Humboldt drei Dimensionen vorgegeben: die Selbstreflexion der Wissenschaft als Erkenntnismodus, die Selbstreflexion des Subjekts mittels der Wissenschaft und die Reflexion auf das Allgemeinwohl, das durch sie gefördert werden soll. Eigenverantwortlichkeit und Sozialverantwortlichkeit gehören hier als Ziele zusammen (vgl. Euler 2005, S. 255, 263f.). In jeder der drei Dimensionen sind aber Probleme auch unserer gegenwärtigen Wissenschaft zu bedenken (vgl. Benner 1990).
2.1.2 Allgemeine Kompetenzen - Schlüsselqualifikationen
Der zweite Begründungsstrang, ein qualifikationstheoretischer, folgt aus dem bemerkenswerten Wandel der formulierten Erwartungen an jegliche Berufsausbildung, auch die in den Hochschulen, in den letzten Jahren. Sie verdichten sich in der Forderung, die gerade von den „Abnehmern“ der Hochschulabsolventen selbst kommt, sie solle „Schlüsselqualifikationen“ bzw. allgemeine Kompetenzen vermitteln (vgl. Orth 2000). Solche Forderungen sind inzwischen weitverbreitet. In seinen „Empfehlungen zur Einführung neuer Studienstrukturen und -abschlüsse (Bakkalaureus/ Bachelor - Magister/ Master) in Deutschland“ hat sie sich der Wissenschaftsrat (2000, S. 21f.) auch für diese zu eigen gemacht. Die „Tugend-Kataloge“ variieren nach Zahl und Formulierung der erwünschten Qualifikationen erheblich - Zeichen der noch unsicheren Theoriebildung und Empirie. Im Grundsatz geht es jedoch immer wieder um: breite Orientierung und Überblickswissen, systemisches (oder: vernetzendes) Denken, divergentes Denken, Kreativität, methodische Flexibilität, Ausdauer, Ambiguitätstoleranz, Kommunikations-, Kooperations- (oder Team-)fähigkeit, Führungs- (oder Durchsetzungs-) fähigkeit und Verantwortungsbereitschaft.
Eben um die Chancen zur Entwicklung dieser Fähigkeiten zu erhöhen, wird Forschendes Lernen gefordert (sowohl allgemein wie auch speziell für die Lehrerbildung, vgl. Wissenschaftsrat 2001, S. 47), weil es über Arbeitssituationen verläuft, die solche Fähigkeiten schon fordern und dadurch auch fördern bzw. einüben. Selbstverständlich sichert die bloße Form „Forschendes Lernen“ so wenig wie irgendeine andere Lehrform schon als solche, dass diese Wirkungen eintreten; das hängt von der Ausgestaltung ab. Aber diese Form des Lernens macht sie wahrscheinlicher. Pasternack plädiert deswegen am Ende einer Diskussion der Trends in der gegenwärtigen Hochschulreform für die Wiederherstellung der Einheit von Forschung und Lehre und speziell für Forschendes Lernen, weil die Kernkompetenzen für Berufsfähigkeit in hochqualifizierten Berufen bzw. Professionen (Umgang mit Unbestimmtheit) genau die sind, die im Forschen gebraucht und geübt werden (Pasternack 2008, S. 203, 205). Auch international wird es in diesem Zusammenhang gesehen und gefordert (vgl. auch Tremp 2005; Brew 2006, S.8ff.)
2.1.3 Lerntheoretische Begründung
Beide Zielvorstellungen verlangen komplexe Lernsituationen! Die Frage im besonderen, wie denn Schlüsselqualifikationen erworben werden könnten, treibt über traditionelle Vermittlungsformen entlang der Fachsystematik weit hinaus. Das gilt inhaltlich, insofern selbstständiges forschendes Fragen leicht die Disziplingrenzen überschreitet; es gilt aber auch didaktisch-methodisch: kreativitätsfordernde und -fördernde Settings, komplexe Simulationen, individuelle selbständig durchgeführte Arbeitsvorhaben (Recherchen, Konstruktionsaufgaben usw.), kooperative Projekte, Mitgestaltung von Lernplan und -kontext werden dafür verlangt. Das trifft mit den Schlussfolgerungen der jüngeren kognitiven Lerntheorie zusammen: Lernen, das nachhaltig ist und nicht nur „träges“ Wissen hinterlässt, muss „tiefes“ Lernen (deep level learning) sein, d.h. eines, bei dem der Lernende aktiv tätig ist und u.a. die Strukturierungsleistungen selbst vollzieht. Das Studium muss dafür geeignete Lern-Situationen bieten. Mandl/ Reinmann-Rothmeier (1998, S. 198; vgl. auch Reinmann 2009, S. 37ff.)) z.B. charakterisieren diese so:
„(1) Situiert und anhand authentischer Probleme lernen …
(2) In multiplen Kontexten lernen …
(3) Unter multiplen Perspektiven lernen …
(4) In einem sozialen Kontext lernen …
Ein solcher „shift from teaching to learning“ hat inzwischen sogar in Beschlüsse des Wissenschaftsrates (s.o.) und der HRK (2008) Eingang gefunden. Alles spricht aus lerntheoretischer Perspektive dafür, als Lernsituationen auch Forschungssituationen zu suchen (oder: „Forschungsformate als Lernformate“ zu kreieren, vgl. Schneider/Wildt 2009).
2.2 Probleme der Umsetzung - Herausforderungen an Lehrende und Lernende
Mit ganz pragmatischen Hindernissen und Schwierigkeiten hat man heute bei fast jeder Lehrveranstaltung zu kämpfen, zumal wenn man „gute“ Lehre machen möchte: Mangel an geeigneten Räumen, Kollisionen der Zeiten, Höhe der Teilnehmerzahlen und deren Begrenzung. Sie sind nicht spezifisch für Forschendes Lernen und werden deswegen hier nicht weiter behandelt.
Anders die folgenden, die man in der Diskussion für und wider Forschendes Lernen immer wieder angesprochen findet:
- Konflikte durch Abweichung von Stoffplänen in Curricula und Prüfungen
- Konflikte mit Vorgaben der Prüfungsordnungen für Formen und Durchführung von Prüfungen oder deren Benotung versus Notwendigkeit der Entwicklung bzw. Anerkennung geeigneter Prüfungsformen für Forschendes Lernen, die dessen Kompetenzzielen angepasst wären;
- Erhöhung des Zeit- und Arbeitsaufwandes für Lehrende - und Studierende (erstmalige und neuartige Planung so komplexer Arbeitsformen; Pionierarbeit in Erschließung von und Kooperation mit neuen Praxisfeldern; hoher Bedarf an individueller Beratung)
- Schwierigkeiten der Koordination von Teams der Lehrenden, zumal interdisziplinären (Mühe und Aufwand der Verständigung)
- Motivation der Studierenden, noch fehlende Überzeugung, dass Forschendes Lernen sich lohnt.
- Vorbereitung der Studierenden in Kenntnissen und Methodenkompetenz, auch z.B. bezüglich Zeitmanagement, Verbindlichkeit/Disziplin in der Teamarbeit
- Vorbereitung der Lehrenden auf ihre veränderte Rolle im Forschenden Lernen, vor allem als Berater/innen.
Die ersten beiden signalisieren Dilemmata, für die keine Methoden als Lösung angegeben werden können. Vielmehr hilft da nur eine Güterabwägung und Verständigung im Fachbereich darüber, was mehr gelten soll: Bezogen auf das Curriculum: Breite oder Tiefe des Lernens, Fachkenntnisse oder Methodenkompetenz? Bezogen auf die Prüfungen: Standardisierung, Vergleichbarkeit usw. oder Offenheit und Vielfalt, damit die spezifischen Kenntnisse und prozessbezogenen Kompetenzen gezeigt werden können?
2.3 Lösungsansätze
Für die anderen Probleme haben sich in bisherigen Versuchen einige Lösungsansätze als bewährt erkennen lassen, z.B. aus den Hamburger Projekten (s. Hubert u.a. 2009; das Folgende nach Julia Hellmer 2009). Hier nur eine Auswahl:
- Raum für Projektideen und Entwicklung von Fragen geben: neugierig zu werden, eigenes Interesse zu entdecken, ein Gespür für Fragen an den Gegenstand zu entwickeln.
- Orientierungsrahmen klären: Transparenz der Anforderungen und ihrer Verbindlichkeit, überschaubare Zeiteinheiten für die jeweiligen Phasen bzw. Arbeitsschritte, organisatorische Vorkehrungen für den Austausch der Studierenden untereinander und Rückmeldungen zum Forschungsprozess.
- Begleitung und Beratung für die Studierenden intensivieren: Eigenarbeit der Studierenden ist das Ziel, Beratung bleibt aber notwendig. Wichtig: Beratungssituationen, in denen die Studierenden sich gegenseitig beraten. Sie bieten Anlass, über den Forschungsprozess zu reflektieren, soziale Kompetenzen zu üben und Verantwortung für die gemeinsamen Lernprozesse zu übernehmen.
- Methodentraining: in engem Zusammenhang mit der Veranstaltung, vor, in oder neben ihr . Dies auch schon, damit die Studierenden eine begründete Auswahl treffen können.
- Ausrichtung der Tätigkeit auf „echte“ Bewährungssituationen: „Stehen die forschenden Tätigkeiten in Zusammenhang mit realen Praxis-/Problemfeldern und/oder werden die Ergebnisse zur Weiterentwicklung der Praxis genutzt oder im Rahmen der „scientific communitiy“ veröffentlicht, dann ist das für die Studierenden motivationsfördernd“ (Hellmer 2009, S. 220).
- Studentische Tutoren, möglichst mit eigener Forschungserfahrung einsetzen: als erste Ansprechpartner/innen, eventuell auch als „Modell“ für die jüngeren Studierenden.
Neben oder besser: vor all diesen Faktoren ist das Interesse an Themen und Untersuchungsfeldern selbst das Wichtigste, um die Schwierigkeiten nicht aufzuheben, aber zu relativieren: wenn die Studierenden ihre Fragen verfolgen, Neues entdecken, eigene Erfahrungen mit der Erkundung, Systematisierung und Dokumentation von Problemen, Fällen und Fragestellungen machen können. Das gilt ähnlich auch für die Lehrenden: ihr eigenes Interesse an dem jeweiligen Fragefeld dürfte die beste Voraussetzung für die Meisterung der oben genannten Probleme sein.
2.4 Phasen des Forschenden Lernens
Wie sich eben schon andeutete, ist ein wesentliches Mittel zur Bearbeitung bzw. Verringerung der bekannten Schwierigkeiten des Forschenden Lernens die sorgfältige Planung und Ausgestaltung der Phasen (vgl. wiederum Hellmer 2009, aus deren Bericht ich hier viel übernehme).
- Einführung: etwa in Form einer Informationsveranstaltung, bei der die didaktische Grundkonzeption erläutert wird, oder als forschungsmethodische Vorbereitung der Studierenden oder wenigstens durch eine sehr ausführliche und deutliche Veranstaltungs-Ankündigung.
- Finden einer Fragestellung oder Konkretisierung eines Problems: zumeist ja innerhalb eines schon vorgegebenen bzw. bekannten Oberthemas oder Rahmenprojekts, aber auch dann als ein eigener Abschnitt, in dem die Studierenden Zeit haben, ihre je eigenen Fragen bzw. Zugänge zu finden und zu formulieren.
- Informationserarbeitung zur Sache bzw. zum Inhalt des Projektthemas. Zeitpunkt und Dauer dieser Phase variieren stark, ebenso die Form: Vermittlung notwendigen Vorwissens durch Lehrende (z.B. in Form von Vorlesungen), Erarbeitung durch die Studierenden selbst und Austausch unter ihnen (z.B. auf elektronischer Plattform).
- Erwerb von Methodenkenntnissen zur Bearbeitung der Forschungsfrage (s.o.) : in vielen Projekten als eigene Phase systematisch in die Konzeption der Veranstaltung integriert, sonst vorausgesetzt oder nebenher organisiert.
- Entwicklung eines Forschungsdesigns: zentrales Moment in den Projekten, weitestgehend in die Hand der Studierenden gelegt.
- Die Durchführung einer forschenden Tätigkeit : Diese Phase kann u.U. außerhalb der Vorlesungszeit liegen und an andere Orte als die Hochschule selbst führen (Praktika, Exkursionen, Feldstudien)
- Erarbeitung der Ergebnisse. Sie kann in die Zeitstruktur der Veranstaltung integriert sein oder ihr nachgelagert werden (z.B. in Form von Seminar- oder Abschlussarbeiten bzw. Artikeln zur Veröffentlichung).
- Mitteilung der Ergebnisse: Bericht, Dokumentation, Präsentation oder Publikation innerhalb der Veranstaltung, auf Foren des Fachbereichs, der Hochschule oder auf Tagungen, in internen oder externen Organen …
- Reflexion des Vorgehens, des Arbeits- und des Gruppenprozesses, des Status und der Relevanz der Ergebnisse usw.
3. Wirkungen des Forschenden Lernens
Es wäre wünschenswert, wenn man die beschriebenen hohen Erwartungen an das Forschende Lernen auf eine breite Basis tragfähiger Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen stützen könnte. Die gibt es jedoch noch nicht, erst recht nicht in der Form von Vergleichsmessungen. Sie ist leider auch nicht so bald zu erwarten: zu spezifisch ist nach Fachgebiet, Anlage, Durchführung und Rahmenbedingungen jede einzelne Veranstaltung, in der Forschendes Lernen stattfinden soll, und zu komplex und daher schwierig zu messen sind die Ziele (Kompetenzen) und erhofften nachhaltigen Wirkungen, die erst längere Zeit nach der Veranstaltung feststellbar wären.
Wohl aber gibt es Anhaltspunkte, die zu den Erwartungen an das Forschende Lernen berechtigen:
Das sind zum einen, wie schon erwähnt (s.o. 2.1.3) die in der kognitiven und speziell konstruktivistischen Lerntheorie der letzten Jahrzehnte immer mehr gefestigten Erkenntnisse über den generellen Vorzug, den Formen des Lernens, bei denen die Lernenden selbst aktiv (in jedem Sinne) tätig sind, Wissen selbst suchen und strukturieren und zur Lösung von Problemen oder komplexen Aufgaben einsetzen und so handelnd Erfahrungen machen (deep level learning), vor jenen Formen verdienen, in denen die Lernenden Wissen nur im Wesentlichen rezipieren und auf Abfrage reproduzieren können (surface level learning). Zum ersteren Typ gehört der Intention nach das Forschende Lernen wie ebenso potentiell andere Formen von „high impact activities“ - Projekte, service learning, bestimmte Praktika usw. - auch (vgl. Kuh 2008).
Diese Annahmen werden zum anderen dadurch gestützt, dass zwar nicht für das Forschende Lernen als Ganzes, wohl aber für einzelne seiner Elemente empirische Bestätigungen vorliegen: Von den evidenzbasierten Merkmalen für „gutes“ Lehren und Lernen, die Winteler/Forster (2007) in ihrer Sichtung des internationalen Forschungsstandes identifizieren, gehören sehr wichtige zu den Elementen des Forschenden Lernens: Zeit für eigenes Nachdenken, Hinweise für das Weiterlernen zu geben, experimentierendes Suchen, Forschen (experimental inquiry) sowie bestärkendes und korrigierendes Feedback (reinforcement/corrective feedback).
Schließlich darf es auch als eine Bestätigung dienen, dass weltweit engagierte Hochschullehrende auf diesen Weg zur Verbesserung von Lehren und Lernen verfallen. Bain (2004) hat aus seinen Fallstudien zu 63 preisgekrönten Lehrenden an Colleges und Universitäten als eines der wesentlichen ihnen gemeinsamen Charakteristika herausgeschält, dass ihre Annahmen über Lernen erstaunlich mit den oben schon genannten Erkenntnissen der modernen Lernforschung übereinstimmen: Wissen werde konstruiert, nicht rezipiert; solches Lernen verlange Konfrontation mit Problemen, kognitiven Diskrepanzen oder Konflikten, die zum Umstrukturieren mitgebrachter oder überlieferter Modelle veranlassen, aber auch einen geschützten Raum (safe space) für die Entwicklung neuer Ideen (Bain 2004, 27ff.). Entscheidend dafür seien Fragen, am besten eigene, und „Caring“ des Lehrenden im Sinne von „Für-wichtig-halten“ des jeweiligen Themas (ebd. S. 31), Erfahrung der Selbstwirksamkeit /Bewusstsein der eigenen Kontrolle (locus of causality), wachzuhalten durch verbales, aufgabenbezogenes feed back (ebd. S. 27ff.).
Solchen Ergebnissen aus den USA entspricht, was Brown/ McCartney bei ihrer Sichtung der internationalen (genauer: der englischsprachigen) Literatur gefunden haben: „Where changes have been made by teachers in higher education […] in an attempt to promote a deep approach to learning […], what they have actually done is to make their courses (typically undergraduate courses) more like research.“(1998, p. 126; Hervorhebungen L.H.). Als eine Bestätigung dafür kann die umfangreiche Sammlung von Beispielen von Jenkins u.a. (2007) dienen.
Das beruhigende Wissen, mit vielen Lehrenden weltweit in die gleiche Richtung zu gehen, kann allerdings nicht von der Pflicht entbinden, sich im eigenen Kontext so gut als möglich auch empirisch Rechenschaft über die tatsächlichen Wirkungen der Projekte Forschenden Lernens zu geben. Neben der Aufgabe, seinen Zielen angemessene Formen der Leistungsmessung (Prüfung) zu finden, steht, nicht minder schwierig, die Aufgabe einer über die Messung der Ergebnisse noch hinausgehenden Evaluation des Prozesses in Relation zu Anlage und Kontext des Vorhabens.
Aber das ist ein neues Thema.
Die Rolle des Lehrenden beim Forschenden Lernen
Im Rahmen universitärer Lehre wird zunehmend stärker das Ziel verfolgt, dass Studierende Lehrveranstaltungen als Ort forschenden Lernens erleben können. Diese Forderung steht in der Tradition des (hochschul-)didaktischen „Shift from teaching to learning“ und rückt damit den Fokus universitärer Lehre – entgegen des Campusjargons der „Lehrveranstaltung“ – auf das Lernen der Studierenden. Demzufolge erfordert eine Ausrichtung universitärer Lehre am Prinzip des Forschenden Lernens die gezielte Orientierung auf das Lernen der Studierenden. Über die genannte Lernorientierung hinaus muss es den Lehrenden zudem gelingen, eine forschungsorientierte Lernumgebung zu schaffen, die Studierende darin unterstützt, allein oder in der Gruppe selbstständig ein Forschungsprojekt durchzuführen. Zu dieser Gestaltungsleistung der Lehrenden gehört z.B. zu klären, wie studierendengerechte „Forschungsprojekte“ geplant, d.h. auch strukturiert, didaktisch aufbereitet und professionell begleitet werden müssen, damit Studierende dies zum effektiven Kompetenzerwerb nutzen können.
Der nachfolgende Beitrag thematisiert demzufolge zunächst allgemein, was die Lernorientierung in der Lehre für die Rolle von Dozentinnen und Dozenten bedeutet und dann konkret, was Lehrende bei der Planung und Gestaltung forschungsbezogener Lernumgebungen berücksichtigen sollten.
Vom Lehrenden zum Lernhelfer
Nehmen Lehrende den angesprochenen „Shift from Teaching to Learning“ ernst, so verlagert sich die Aktivität des Lehrenden deutlich von der Durchführungs- auf die Planungs- bzw. Vorbereitungsphase. Dies ermöglicht im Gegenzug in der Durchführungsphase eine Zunahme der Selbsttätigkeit der Studierenden und damit einen aktiven, anstelle eines rezeptiven, Lernprozess. Dieser Wandel bedeutet keineswegs eine geringere Bedeutung der Lehrerrolle bei der Durchführung von Lehre, er macht den Lehrenden zum Moderator, zum Lernhelfer oder Lernprozessbegleiter. In diesem Sinne übernimmt der/die Lehrende die Verantwortung für die Gestaltung einer Lernumwelt, die Studierende dazu befähigt, eigenständig (aber nicht alleine) und handlungsorientiert ein Forschungsprojekt entweder gänzlich oder in Ausschnitten zu planen, durchzuführen und auszuwerten und damit in authentischen wissenschaftlichen Kontexten zu lernen.
Forschendes Lernen erfordert eine gute Vorbereitung
Wenn es im Folgenden darum gehen soll, was Lehrende tun können, damit Studierende diesen Prozess erfolgreich nutzen können, stellen sich zunächst die Fragen, welche Phasen des Forschenden Lernens identifiziert werden können und welche Funktionen die Lehrenden in diesen übernehmen sollten. Dabei kann in Analogie zu den Arbeitsschritten von Forschungsprojekten von folgenden Phasen ausgegangen werden.
- Themenfindung / Kernfragestellungen entwickeln
- Formulierung von Fragestellungen und Forschungshypothesen
- Entwurf des Forschungsdesigns
- Durchführung
- Auswertung & Dokumentieren
- Ggfs. Anwendung
Mit Blick auf die Tätigkeit der Lehrperson ergeben sich in diesen Phasen konkrete Herausforderungen.
1. Themenfindung / Kernfragestellungen entwickeln
Wenn Forschendes Lernen zur individuellen Aktivierung der Studierenden beitragen soll, kommt der Themenfindung eine zentrale Rolle zu. Themen zu finden und Fragen zu entwickeln ist für Studierende oft viel schwieriger als sich Lehrende vorstellen. Lehrende und Studierende blicken in der Regel aus völlig unterschiedlichen Perspektiven auf dasselbe Thema; Lehrende weisen in der Regel sowohl einen strukturierten Überblick als auch Detailwissen auf, das es Ihnen problemlos ermöglicht, „Lücken“ im Thema oder im Forschungsstand zu entdecken. Studierende dagegen, müssen auf diese Lücken häufig in geeigneter Form aufmerksam gemacht werden. Dies kann durch direkte Impulse des Lehrenden, vor allem aber auch durch die aktive Auseinandersetzung mit vorbereitetem Material, wie z.B. Texten, authentischen Situationen und gute Aufgabenstellungen erfolgen. Im Sinne der Aktivierung erscheint es sinnvoll, dass Studierende die Möglichkeit erhalten, „ihr Thema“ selbst zu entdecken. Auch vorgegebene Themen sind denkbar, dann sollten die Studierenden allerdings die Gelegenheit erhalten, sich das Thema so „anzueignen“, dass sie für sich interessante Perspektiven auf das Thema entdecken und entwickeln können. Nur so können Studierende selbstständig Fragestellungen und Hypothesen generieren.
2. Formulierung von Fragestellungen und Forschungshypothesen
Wenngleich das Lernen durch eine hohe Selbstständigkeit gekennzeichnet sein sollte, erfordert die Entwicklung von Forschungshypothesen in der Regel eine recht enge Rückkopplung an einen Experten, der nicht notwendigerweise die Lehrperson sein muss. Mit Blick auf das gewählte Thema müssen Perspektiven geschärft und Fragstellungen konkretisiert werden, um schließlich Hypothesen zu generieren. Diese dosierte Reduktionsleistung erfordert eine gute Beratung.
3. Entwurf eines Forschungsdesigns
Die Entwicklung eines geeigneten Forschungsdesigns stellt eine enorme Herausforderung für Studierende dar, die häufig dadurch erschwert ist, dass Ihnen die Palette der Möglichkeiten nicht bekannt ist. Diese Schwäche kann auf sehr unterschiedlichen Wegen bearbeitet werden, z.B. durch das zur Verfügung stellen von Textmaterial (z.B. Forschungsmethodologische Handbücher, ausgewählte Fachaufsätze, in denen Studien ausgewertet werden, Antragsskizzen oder Projektposter). Zudem hat sich der Einsatz einer Expertenkommission als effektiv erwiesen, die analog zur Kultur der Wissenschaft in Form eines Kolloquiums gemeinsam beratschlagt und Vor- und Nachteile, sowie Möglichkeiten und Risiken kritisch diskutiert. Dieses Szenario lässt Studierende Forschung und Wissenschaft authentisch erfahren und nimmt Studierende in ihrer Rolle als kompetentes Gegenüber ernst. Demnach ist eine Expertenkommission, in der Studierende sich ggfs. auch zusammen mit weiteren Experten kollegial mit Forschungsdesigns auseinandersetzen, im Sinne der Selbstbestimmungstheorie nach Ryan & Deci eine geeignete Möglichkeit, die intrinsische Motivation der Studierenden zu unterstützen.
Nachdem die Studierenden ein Forschungsdesign entwickelt haben, steht die Planung der Durchführungsphase an. Für ein Experiment benötigen Studierende Materialien, bei Befragungen müssen Termine vereinbart werden, und ggfs. müssen Fragebögen gedruckt oder Aufnahmegeräte besorgt werden. Lehrende können in dieser Phase unterstützend (z.B. Kontaktpersonen benennen, Geräte zur Verfügung stellen) bereitstehen. Die Organisation einer Erhebung können Studierende in aller Regel selbstständig verantworten.
4. Durchführung
Die Durchführung sollte den Studierenden vorbehalten sein. Das selbstständige Handeln in eigener Verantwortung, das Eintauchen in das Praxisfeld (z.B. bei quantitativen oder qualitativen Befragungen) vermittelt den Studierenden im Sinne der oben angeführten Selbstbestimmungstheorie1 nach Ryan & Deci einen wichtigen Motivationsschub.
5. Auswertung und Dokumentieren
Wenn Studierende Auswertungen selbstständig übernehmen, sollten sich zunächst die Lehrenden ihre eigenen Erwartungen an gute Auswertungen vergegenwärtigen und diese mit realistischen Anforderungen an Studierende abgleichen. Nicht selten führen unreflektierte Maßstäbe von Seiten der Seminarleitung zu Frustrationen auf beiden Seiten. Daher sollten die Lehrenden die Anforderungen an die Auswertungsqualität transparent gestalten, damit Studierende genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Das gilt vor allem auch für das Erstellen einer Forschungsdokumentation.
Zudem stellt das Angebot von Unterstützung eine wichtige Aufgabe dar. Dies kann beispielsweise durch Lernszenarios erfolgen, in denen Studierende Lern- bzw. Auswertungstandems bilden und sich bei Fragen und Unsicherheiten miteinander austauschen können.
6. Anwendung - Eintauchen in die Praxis – Betrachten der Relevanz der Ergebnisse für die Praxis
Nicht immer muss die Rückführung von Ergebnissen in die Praxis zum Forschungsprozess gehören. Für Studierende stellt diese Erfahrung einen wichtigen Schritt in Bezug auf ihr Verständnis von Wissenschaft dar, da es Ihnen so gelingt zu erkennen, was vielen Studierenden in der Universität fehlt: das Verständnis für das Verhältnis von Theorie und Praxis.
Was sagen Studierende?
"Ich wurde sehr gut auf dieses Forschende Lernen vorbereitet, weil wir in diesem Seminar nicht inhaltlich gearbeitet haben, aber diese verschiedenen Schritte des Forschungsprozesses, die wurden jeweils in einer eigenen Woche besprochen. Es ging in einer Woche um die Themenfindung. Dann hatte man ein bisschen Zeit, dann ging es in der nächsten Woche um Fragestellung ausbilden, dann um Hypothesen ausbilden, um das Planen einer Durchführung usw. und das wurde einfach in den verschiedenen Wochen sukzessive besprochen, sodass wir halt sehr gut auf das Ganze irgendwie vorbereitet wurden, sodass man auch nicht überfordert war." (2. Bachelorsemester Psychologie)
Zusammenfassung – Die 6 Kernaufgaben von Lehrenden beim Einsatz von Forschendem Lernen in der universitären Lehre
- Forschendes Lernen muss gelernt werden! Ohne eine entsprechende Vorbereitung der Studierenden auf die Herausforderungen des forschenden Lernens, steigt die Gefahr, dass Studierende an der Offenheit solcher Lernszenarien scheitern können.
- Studierende arbeiten selbstständig, brauchen aber in der Seminarleitung eine zuverlässige Beratungsinstanz. Zeigen Sie den Studierenden also, dass Sie als Lernhelfer bereitstehen.
- Gestalten Sie die Aufgabenstellung(en) klar und präzise und machen Sie ihre Anforderungen transparent.
- Strukturierung dient als „Gehhilfe“ im Arbeits- und Lernprozess, die umso wichtiger ist, je weniger die Studierenden gewohnt sind, forschend zu lernen. Strukturierung kann z.B. durch unterschiedlich stark gegliederte bzw. auch sequenzierte Aufgaben, durch regelmäßige Rückkopplungen mit der Seminarleitung und/oder mit Kommilitonen bzw. Lernpartnern – durch das Ausmaß, mit dem die Seminarleitung Ressourcen, Materialien, Hilfestellungen bereitstellen, erreicht werden.
- Ermöglichen Sie Ihren Studierenden Kooperationsmöglichkeiten entweder durch die Bearbeitung von Forschungsprojekten im Team oder die Möglichkeit, mit Experten aus der Praxis zusammenzuarbeiten. Die soziale Einbindung in eine Expertenkultur fördert die intrinsische Motivation der Studierenden.
- Lassen Sie die Studierenden in die Praxis eintauchen und so den Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis erleben.
- Durch das eigene Kompetenzerleben, das autonome Handeln sowie durch die soziale Eingebundenheit werden drei zentrale Grundbedürfnisse des Menschen bedient, die eine höhere innere Motivation zur Folge haben, Tätigkeiten erfolgreich durchzuführen.
„Warum nicht im Kleinen beginnen?“ Forschendes Lernen in den Lehralltag integrieren
Unsere Definition Forschenden Lernens
Forschungsorientiert Lernen bedeutet in unserem Verständnis , dass eine Reihe von Kompetenzen der Studierenden auf kognitiver und emotionaler Ebene sowie der Handlungsebene (Kraiger et al., 1993) benötigt bzw. gefördert werden.
- Auf kognitiver Ebene sind dabei neben der Beherrschung der Grundkenntnisse eines Stoffgebiets sowie von Spezialtechniken und grundlegenden wissenschaftlichen Vorgehensweisen, vor allem aber auch kognitive Techniken und Fertigkeiten für die Problemerkennung und Ideenfindung notwendig.
- Auf emotionaler Ebene sollten Faktoren berücksichtigt werden, welche die Einstellung und Motivation des Lernenden fokussiert.
- Auf der Handlungsebene schließlich ist es notwendig, dem Lernenden die praktische Anwendung in situierten Problemsituationen zu ermöglichen, um konkrete Handlungsabläufe zu erlernen.
Situierte Problemsituationen bzw. situiertes Lernen sind dabei für alle Ebenen von großer Bedeutung. D. h. in Anlehnung an Mandl & Reinmann-Rothmeier (1998), dass die folgenden drei Punkte berücksichtigt bzw. verwendet werden:
- authentische Problemsituationen, die auf Grund ihres Realitätsgehalts und ihrer Relevanz dazu motivieren, neues Wissen oder neue Fertigkeiten zu erwerben,
- multiple Perspektiven, wobei berücksichtigt wird, dass man einzelne Lerninhalte und Problemstellungen aus verschiedenen Blickwinkeln sehen und unter verschiedenen Aspekten beleuchten kann und
- die Einbindung in sozialen (multimedialen) Kontext, d. h. gemeinsames Lernen und Arbeiten von Lernenden und Experten im Rahmen situierter Problemstellungen sind Bestandteil des Lernprozesses.
Herausforderungen des Themas
Vor allem das Erlernen der eingangs genannten kognitiven Techniken und Fertigkeiten, die für die Problemerkennung und Ideenfindung notwendig sind, stellen eine besondere Herausforderung dar.
Hierbei sollte zum einen das divergente und konvergente Denken betrachtet werden.
- Konvergentes Denken stellt in erster Linie konventionelle Denkprozesse und Vertrautheit mit Fakten dar, das bedeutet, bereits erlerntes nach vorgegebenen Regeln der Logik und Rationalität effizient auf Probleme zu beziehen, um die bestmögliche Lösung zu finden. Dabei wird davon ausgegangen, dass es immer nur eine „richtige“ Antwort gibt, und dass die Aufgabe im Prinzip darin besteht, diese ausfindig zu machen.
- Divergentes Denken dagegen verläuft nicht in streng ausgerichteten Bahnen und lässt vielmehr verschiedenste individuelle Denkrichtungen zu, welche ihrerseits eine Anzahl von Lösungsmöglichkeiten ermöglichen, die nicht schon a priori „richtig“ oder „falsch“ sind, sondern unterschiedliche Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen, darstellen.
Beide Denkleistungen sind von großer Bedeutung für forschendes Lernen. Jedoch besteht aus verschiedenen Gründen (z. B. Konformitätsdruck) häufig die Gefahr, dass konvergentes Denken einseitig und mit höherer Priorität gefördert wird. Kognitive Prozesse betreffen also die Wahrnehmung von Informationen, das Identifizierung von Zuständen, aber auch die Identifizierung von Beziehungen. Diese Prozesse beinhalten aber auch die Verknüpfung von Wissen, die Entwicklung von Problemlösungsstrategien, das schlussfolgernde Denken und das Antizipieren von Weiterentwicklungen im Sinne von alternativen und neuartigen Vorgehensweisen.
Ausgehend von den zuvor Genannten, stellt sich schließlich die Herausforderung, wie die o. g. Punkte mit adäquatem bzw. verantwortbaren Aufwand in den Lehralltag integriert werden können, ohne gleich ein groß angelegtes Projekt erforderlich zu machen.
Erfahrungen aus unserer Praxis heraus
„Das forschende Lernen lebt vom aktiven Erproben realer Handlungsabläufe unter Bezugnahme auf persönliche Erfahrung und wissenschaftliche Theorien (Euler, 2005)“.
Komplexes Thema
Wie kommt das Neu(wertig)e in den Kopf des Kunden?
Anhand dieser komplexen Fragestellung aus dem Studiengang „Sales Engineering and Product Management“ an der Fakultät für Maschinenbau soll nun ein praktisches Umsetzungsbeispiel gegeben werden, das einen forschenden Selbst-Lernprozess initiiert.
Impuls
Eine reale Situation (z.B. Videoepisoden „Industrielle Verkaufsverhandlung“ wird als Aktivierungsimpuls gegeben). Der forschende Selbstlernprozess wird nun durch strukturierende Fragen wie folgt aktiviert:
- Was beobachten Sie in dem Video-Clip? (Allgemein-Perspektive)
- Welche Akteure sind wie beteiligt? (Akteurs-Perspektive)
- Welche Interaktionen finden statt? (Prozess-Perspektive)
In Folge werden unterschiedliche wissenschaftliche Analysebrillen (Theorien, Modelle, Konzepte) ausgeteilt, um die betrieblichen Businessepisoden zu analysieren. Die daraus entstehenden Themen können in Gruppen- (the same time/the same place) oder Hausarbeiten (any time/any place) bearbeitet werden. Basis ist die kognitiven Bearbeitung der Lehr-/Lern-Arrangements. Die emotionale Einbindung der Studierenden erfolgt durch die Berücksichtigung unterschiedlicher Lerntypen) und die Vermittlung eigener Lernerfahrungen. Die Möglichkeit zur Kompetenzentwicklung durch handlungsorientierte Settings (z. B. Rollenspiele), die die oben beschriebenen Perspektiven ermöglichen, komplementieren die Veranstaltung ab.
Studierende haben die Chance, unterschiedliche Analysebrillen (z.B. Modelle des organisationalen Kaufentscheidungsprozesses, der neurowissenschaftlichen Verhaltensforschung …) aufzusetzen, die Erkenntnisse in Gruppen zu reflektieren und damit die Fach-, Methoden- und Sozialkommunikative Kompetenz zu entwickeln.
Praktische Tipps für forschendes Lernen im regulären Lehralltag
- Beginnen Sie im „Kleinen“ Schaffen Sie neben einem Fundus an solidem Fachwissen auch Raum und Möglichkeiten für divergentes Denken und ermutigen Sie ihre Studenten, neue Ideen und Herangehensweisen auszuprobieren:
- vermeiden Sie es, vorgefertigte Lösungen „aufzuzwingen“
- zeigen Sie, dass Sie selbst flexibel, vielseitig und an neuen Ideen interessiert sind und betonen Sie dieses gegenüber Ihren Studenten
- zeigen Sie sich aufgeschlossen gegenüber ungewöhnlichen Einfällen etc. und räumen auch die „Möglichkeit des Scheiterns“ ein bzw. legen Sie a priori kein „richtig“ oder „falsch“ fest
- bieten Sie regelmäßiges und zeitnahes Feedback
- geben sie Lob und Anerkennung für originelle Ideen und Ansätze
- loben Sie auch das Wagen „weniger erfolgreicher“ neuer Ansätze
- üben Sie konstruktive Kritik, damit (aus „Fehlern“) gelernt werden kann
- bieten Sie Zeit und Material als Anreiz für neue Ideen und Ansätze
- „Verfeinern“ Sie Ihren Lehralltag Ermutigen und ermöglichen Sie die Betrachtung aus unterschiedlichen Perspektiven:
- beziehen Sie unterschiedliche „Analysebrillen“ bzw. Herangehensweisen unterschiedlicher Fachdisziplinen in Ihren Lehralltag ein, um z. B.:
- ein Problem aus einer neuen (ganzheitlichen) Sicht zu betrachten und alternative und neuartige Vorgehensweisen zu erforschen
- Diskrepanzen, Inkonsistenzen und Widersprüche zu entdecken
- Analogien zu erkennen und Denkstrategien zu kombinieren
- Geschicklichkeit und Gespür bei der Informationssuche zu entwickeln und Denkgewohnheiten zu durchbrechen
- intuitives Denken zu fördern
- nehmen Sie Mehrdeutigkeiten hin
- akzeptieren Sie Veränderungen und Neues
- beziehen Sie unterschiedliche „Analysebrillen“ bzw. Herangehensweisen unterschiedlicher Fachdisziplinen in Ihren Lehralltag ein, um z. B.:
- Tiefergehende Integration in Ihren Lehralltag Betten Sie die beiden oben genannten Punkte in einen situierten (multimedialen) Kontext ein:
- schaffen Sie praktische Anwendungsmöglichkeiten durch authentische und reale bzw. realitätsnahe Problemsituationen, um konkrete Handlungsabläufe zu erlernen (z. B. Bearbeitung von Businessepisoden)
- bieten Sie Ihren Studenten hierbei eine geeignete Unterstützung, beispielsweise in Form von multimediale Plattformen (siehe auch Kapitel Blended Learning), auf denen die Wissensorganisation (z. B. in Form eines Wikis), aber vor allem auch ein gemeinsamer Austausch zwischen Ihnen und den Lernenden sowie den Lernenden untereinander stattfindet (z. B. in Form von offenen Diskussionsforen)
Was sagen Studierende?
"Ich finde es wichtig, dass Lehrende gut wissenschaftlich arbeiten, also dass sie in der Forschung interessante Themengebiete haben, an denen sie aktiv forschen und neben der reinen Lehre ihre Projekte verfolgen. Dennoch muss für sie Lehre einen wichtigen Stellenwert haben, dazu gehören gute Vorbereitung, ordentlich gestaltete Folien, Einbeziehen der Studierenden und Offenheit für neue Ideen." (4. Mastersemester Wirtschaftspsychologie)
Forschendes Lernen an der RUB
Wodurch sind die Entwicklung und die Programmatik von Forschendem Lernen gekennzeichnet? Wie lässt sich Forschendes Lernen institutionell verankern? Welche Tipps zur Gestaltung von Lehre im Format des Forschenden Lernens haben Lehrende und Studierende?
Auf diese Fragen gaben während einer Podiumsdiskussion online im Februar 2021 Expert:innen der RUB und aus anderen Hochschulen Antworten. An der Diskussion nahmen teil (in alphabetischer Reihenfolge):
- Prof. Dr. Kornelia Freitag, Prorektorin für Lehre & Internationales der RUB und Lehrstuhlinhaberin für American Studies an der Fakultät für Philologie
- Prof. Dr. Jürgen Straub, Lehrstuhlinhaber für Sozialtheorie und Sozialpsychologie an der Fakultät für Sozialwissenschaft und Maßnahmenfeldleiter im QPL-Projekt inSTUDIESplus
- Prof. em. Dr. Dr. h. c. Johannes Wildt, ehemals Professor für Hochschuldidaktik an der TU Dortmund und langjähriger Leiter des dortigen Zentrums für Hochschuldidaktik
- Prof. Dr. Joachim Wirth, Lehrstuhlinhaber für Lehr-Lernforschung am Institut für Erziehungswissenschaften und wissenschaftlicher Leiter des QPL-Projekts inSTUDIESplus
Moderiert wurde das Gespräch von Sandra Plontke vom Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie, Koordinatorin der Projektlinie Forschendes Lernen im QPL-Projekt inSTUDIESplus, und Ines Gottschalk, Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie und bei inSTUDIESplus im Maßnahmenfeld zu Forschendem Lernen. Die Zuhörer:innen der Online-Podiumsdiskussion konnten sich ebenfalls mit Redebeiträgen beteiligen.
Geschichte und Entwicklung
Herr Wildt berichtet zu Beginn der Podiumsdiskussion über die (politischen und geschichtlichen) Hintergründe und den Zusammenhang mit dem Projektstudium der 70er Jahre, und setzt das Forschende Lernen in den Kontext des shifts from teaching to learning.
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Prof. em. Dr. Dr. h.c. Johannes Wildt: Ich habe mich sehr intensiv mit den Texten zur Studienreform und Hochschuldidaktik der 50er und 60ger Jahre beschäftigt und die Hochschule geriet ja in den 50er Jahren in einen Reformstau und einen Reformdruck, der sich aufbaute in verschiedenen Hinsichten. In den 60er Jahren war eine allgemeine Stimmung, die auch die Hochschullehrerschaft erfasste. Da gibt's gute Dokumente, etwa dem Hochschulverband, die feststellten, dass sie mit der natürlich mit dem Wachstum der Studentenzahlen nicht mehr zurecht kamen. Und dass sie selbst, auch die Hochschullehrer, den Kontakt zu den Studierenden verloren. Das lässt sich auch in vielen Studien, die es damals gab, nachvollziehen. Und die Diskussion im Hochschulverband lief darauf hinaus, dass die Hochschullehrer der damaligen Zeit eine Verlebendigung der Lehre propagierten, also Wenke etwa, wunderbarer Text dazu. Allerdings haben die das als ihre Aufgabe als Hochschullehrer gesehen, die Lehre aus der Forschung heraus zu gestalten. Und sie kritisierten die Art und Weise, wie das Lehrbuch-Wissen kanonisch dargestellt wurde und sagten “Wir brauchen eigentlich eine lebendige Lehre und wir müssen als Hochschullehrer unseren Bezug zur Wissenschaft dadurch, dass wir die Forschung selber lebendig machen, darstellen.” Sie sahen es als ihr eigenes Privileg und ihr ausschließliches Rollenverständnis als Hochschullehrer. Und damals gab es eben eine in der Studentenbewegung. Sehr prominent ist das Gutachten zur Hochschule in der Demokratie. Da beanspruchten die Studierenden selbst in den Forschungsprozess als Akteure mitbeteiligt zu sein. Und auch die Bundesassistentenkonferenz, in der Ludwig Huber dann auf verschiedene Art zitiert worden ist, sehr maßgeblich beteiligt war, die propagierte auch die Partizipation aller Gruppen in der Hochschule an der Forschung. Das war der Punkt und die Auseinandersetzung zu Beginn der 70er Jahre. Die erstreckte sich darauf, dass dieses Erbe der Studierenden und des Mittelbaus eines partizipativen Anspruchs, an Forschung beteiligt zu werden, in die Hochschulen reingetragen worden sind und das – so ist jedenfalls meine Interpretation – stieß auf eine erheblichen Widerstand der Hochschullehrerschaft. Das ist eben auch eine Debatte. Also wenn man da auf den Humboldt zurückgreift, der Humboldt hat ja – da finde ich das Zitat, was Sie da auch in dem Buch haben, wirklich sehr signifikant – der hat ja alle Hochschulangehörigen als der Forschung zwar in verschiedenen Rollen, aber verpflichtet gesehen. Es ging aber eben in den frühen 70er Jahren um diese Partizipation. Und die Reaktion ist in der Entwicklung glaube ich nur zu verstehen, wenn man gleichzeitig die Modernisierungsbedarfe, die durch die staatliche Hochschulpolitik, Wissenschaftsrat und ähnliche Einrichtungen und den Hochschulrahmengesetzprozess sieht, der sowohl die Hochschullehrer wie aber natürlich auch die Studierenden und die – Patt-Situation – Ansprüche des Mittelbaus begrenzte und das ganze Geschehen der Studienreform von den Hochschulen weg in staatliche Regularien und Instrumentarien verlagerte. Ich habe meine Dissertation dazu geschrieben, über die Transformation des Projektstudiums unter den Bedingungen staatlicher Studienreform. Dadurch, durch diesen Typus von Studienreform hatten diese Initiativen nicht mehr ihren Ort. Das können Sie genau nachvollziehen. Das können wir auch nachvollziehen daran, weil damals die aktiven Hochschuldidaktiker aus den Hochschulen, aus der Hochschuldidaktik abgewandert sind, Zentren wurden geschlossen. Dieser Typ von sozusagen partizipativer Forschung war nicht gefragt und entstand erst mit den ganzen Reforminitiativen, die er dann als Außensteuerung kam. Mehr neoliberal in den 90er Jahren, da kam das wieder in Gang.
und
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Prof. em. Dr. Dr. h.c. Johannes Wildt: Das Forschende Lernen, das ist ein wesentlicher Ansatz, um in dem auf internationaler Ebene jedenfalls völlig unbestrittenen shift from teaching to learning weiterzukommen. Das ist eine Formel, die seinerzeit von Tuckert und Barr in der Krise der amerikanischen Colleges eingeführt worden ist, weil die als Hochschulplaner sagten: “Bei den wachsenden Studentenzahlen können wir überhaupt keine qualitative Lehre mehr machen, wenn die Studierenden nicht mehr Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen”. Also das ist nicht irgendwie einen Gutmenschen-Denken irgendwelcher Hochschuldidaktiker:innen, die sagen, man muss die Student:innen irgendwie stärker berücksichtigen, sondern eine Notwendigkeit, um das Lernen zu effektiveren. Das kann nur funktionieren, wenn die Lehre vom Lernen her gedacht wird und gestaltet wird. Das bedeutet dieser Lernerzentrierte Ansatz, dass das Lernen, was immer ein vollständig eigenständiger und selbstständiger Prozess ist, aktiviert wird durch die Lehrenden, und nicht etwa versucht wird, durch bürokratische Vorschriften zu regulieren. Das ist der Tod der Lernproduktivität.
Abgrenzung von Konzepten
Herr Straub, Frau Freitag und Herr Wirth erläutern in knapp zehn Minuten die Unterschiede zwischen unterschiedlichen didaktischen Konzepten, die zum Teil Ähnlichkeiten und Überschneidungen mit dem Forschenden Lernen aufweisen.
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Prof. Dr. Jürgen Straub: Ich versuche es kurz zu machen und das, was ich für einen wesentlichen Punkt halte, das bezieht sich auf das, was Herr Wildt gerade ausgeführt hat. Nochmal diese Gefahr. Ich habe es die „Gefahr der Verwässerung“ des Forschungsbegriffs und bestimmter Praktiken, die dann unter diesem Containerbegriff Forschendes Lernen subsumiert werden, genannt. Und ich gehöre zu den Leuten, die diese Gefahr ernst nehmen, bei aller Sympathie für das Forschende Lernen und bei einer eher gering ausgeprägten Furcht vor sogenannten Containerbegriffen. Das sind viele wissenschaftliche Begriffe - oder Bezeichnungen sind solche Begriffe. Das gilt auch für den Handlungsbegriff. Da kann man alles Mögliche darunter verstehen. Und wie bei anderen Begriffen kommt es beim Forschenden Lernen darauf an, unterschiedliche Formen oder Varianten begrifflich zu differenzieren. Ich bin da ganz auf der Seite von Herrn Huber und von Gabi Reinmann, mit der wir enger zusammengearbeitet haben, die auf solchen Differenzierungen beharren. Das finde ich extrem wichtig. Und dann gibt es Bezeichnungen wie Forschendes Lernen im engeren Sinne: Forschungsnahes Lernen, Forschungsbasiertes Lernen, Forschungsähnliches Lernen. Das heißt also, solche terminologischen Differenzierungen sind unverzichtbar meines Erachtens. Das heißt, dann müssen wir über alle diese Varianten sprechen und definitorische Merkmale im Hinblick auf diesen Variantenreichtum bemühen. Anders geht es meines Erachtens nicht. Sonst subsumieren wir in der Tat zu viele heterogene Konzepte und Praktiken unter diesem Containerbegriff und laufen dann in die sozusagen immer aufgespannten Fallen. Also dann hat eben Jürgen Mittelstraß Recht, wenn er sagt, Tätigkeiten, die unter dem Begriff Forschendes Lernen laufen, führten zu einer Verwässerung und Aufweichung des Wissenschafts- und Forschungsbegriffs. Das heißt zu einer Niveau-Absenkung. Und da hat er schon recht. Ich würde sagen, und das ist eine der großen Herausforderungen, dass man einem anspruchsvollen, ambitionierten Konzept Forschendes Lernen festhält. Insbesondere wenn man damit tatsächlich diesen gesamten Zyklus des Forschungsprozesses adressiert, dann umso mehr an einen anspruchsvollen, mit wissenschaftlicher Forschung im engeren Sinne konkurrenzfähigen Konzeptes. Und da sollte man auch keine Angst haben, so etwas in Universitäten anzubieten (nicht in allen Hochschulen, aber in Universitäten), insbesondere solchen, die Ambitionen haben, zu den Exzellenzuniversitäten zu gehören, und entsprechenden Nachwuchs heranzubilden. Man sollte da meines Erachtens die Courage haben, ein etwas elitärer angestrichenes Konzept Forschendes Lernen abzugrenzen von anderen Varianten. Und das ist ebenso wichtig. Frau Freitag betont, dass es um Forschungsnahes Lernen für alle geht. All das sind meines Erachtens kein Widerspruch oder keine sich ausschließenden Prinzipien, sondern man muss das eine tun und darf das andere nicht lassen. Also Forschung mit Exzellenzanspruch und mit ambitioniertem Wissenschaftsanspruch in der Lehre verankern, wohlwissend, dass da nur einige mitkommen. Und dann ein Programm, ein Mitmach-Programm für alle, wo auf allen Qualifikationsstufen in den unterschiedlichen Studiengängen im Bachelor, im Master und auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Qualifikationen und Qualitäten und Kompetenzen von Studierenden wirklich passgenaue Angebote gemacht werden. Aber nochmal zum Punkt der Differenzierung unterschiedlicher Varianten und Formate. Das ist extrem wichtig, und dann innerhalb dieser einzelnen Varianten versuchen zu sagen, was man unter dieser Bezeichnung versteht, welche Rolle die wissenschaftliche Kernkompetenz, nämlich Forschung, in dieser einzelnen Varianten in welcher Weise spielt.
Prof. Dr. Kornelia Freitag (Beginn 04:54 Minuten): Herr Straub hat genau da angesetzt, wo ich weitermachen wollte, nämlich, dass man sich der Tatsache bewusst sein muss, wie wichtig es ist, heute den Studierenden Forschung nahezubringen, in einer Zeit, in der es um alternative Fakten geht und der von Forschung erwartet wird, dass sie alles kann und alles heilt. Und dann wundert man sich, dass sie dynamisch ist, was ja ein Charakter von Forschung ist. Das ist wichtig, dass das allen klar wird. Genauso wie auch klar sein muss, dass es eben diese unterschiedlichen Formen gibt. Und ich glaube, in diesem Slogan unserer Zukunftsvision “Forschung, erfahren, erlernen, leben” steckt drin, dass es eine gewisse Varianz gibt und dass nicht jeder zum Forscher, nicht jede zur Forscherin werden wird. Dass aber, wenn man an einer Universität ist, die Bekanntschaft mit Forschung macht und diese forschende Haltung, die ja nicht Forschung sofort ist, in dieser Haltung inne zu halten, sich zu fragen, sich auszutauschen und ein Problembewusstsein zu entwickeln. Das ist ganz, ganz wichtig. Und wenn man das entwickelt, stellt man immer wieder fest, dass plötzlich Studierende zu Forscherinnen und Forschern werden können, von denen man es erstmal nicht erwartet hat. Weil die deutsche Universität eine ist, die lange Zeit ein sehr geschlossenes System gewesen ist und in der man reproduziert hat, was erwartet wurde. Und insofern ist dieser Prozess, das Heranführen an die Forschung, der Forschungsorientierung, Forschungsbasis und so weiter ein ganz wichtiger, um die Potenziale zu heben bei Studierenden, von denen man das nicht sofort erwartet. Wir stellen immer wieder fest, dass das deutsche System leider weiter ein eher exklusives ist, obwohl wir ja jeden reinlassen. Aber es funktioniert nicht so. Und ich glaube auch in dieser Hinsicht muss man sehen, dass Forschendes Lernen sehr, sehr wichtig ist, genau in dieser Differenziertheit und Ausgewogenheit, wie Jürgen Straub das beschrieben hat.
Prof. Dr. Joachim Wirth (Beginn 07:34 Minuten): Ich wollte eine Sache aufgreifen, die Jürgen Straub vorhin gesagt hatte, dass beim Forschenden Lernen essentiell wäre, dass man den kompletten Forschungsprozess immer mit bedenkt. Ich würde das ein bisschen relativieren wollen. Natürlich muss man auf der einen Seite immer den kompletten Prozess im Auge haben, aber genau das ist unmöglich. Das, was Studierende lernen, wenn sie denn in den Lehrveranstaltungen zum Forschenden Lernen sind, kann sie zum Teil überlasten. Auch wenn ich mir die inSTUDIES-Projekte anschaue, da gibt es immer bestimmte Schwerpunkte auf einzelne Schritte des Forschungsprozesses. Also wenn ich mir das z.B. die studentischen Zeitschriften anschaue, dann ist das ganz am Ende des Forschungsprozesses, wo es ums Publizieren geht. Oder andere Forschungsprojekte wie das Unvergessenen-Projekt, wo ganz viel mit Datenerhebung und Interpretation gearbeitet wurde, wo darauf der Fokus lag. Also es gibt immer so Foki auf einzelne Schritte des Forschenden Lernens und das würde für mich trotzdem zum Forschenden Lernen dazugehören. Und da würde ich den Bogen zu Frau Freitag spannen, weil das dazu führt, dass die Studierenden verstehen, was ein forschender Ansatz ist, eine forschende Art und Weise zu denken, und damit eine wissenschaftliche Art und Weise zu denken ist. Und dass man über diese Art und Weise Probleme auch im Alltag löst. Ja, das ist der eine Punkt, der zweite Punkt ist: Ich würde gerne die Exklusivität des Forschenden Lernens für die Universitäten ein bisschen aufbrechen. Es gibt ganz, ganz viele Formate, die außerhalb von Universitäten laufen und die nicht nur an Studierende adressiert sind. Also wenn ich an den ganzen Bereich von Citizen Science beispielsweise denke, wo Bürgerinnen und Bürger sich an Forschung beteiligen und genauso Forschung lernen, wie es unsere Studierenden machen, in ihrer Freizeit, dann ist das aus meiner persönlichen Perspektive Forschendes Lernen. Aber halt mit einer ganz anderen Zielgruppe.
Institutionalisierung an der RUB
Die Diskutant:innen gehen in ca. 17 Minuten ausführlich darauf ein, wie die RUB versucht, Forschendes Lernen zu institutionalisieren und damit nachhaltig als Lehrkonzept in den Fakultäten und im fachübergreifenden Optionalbereich zu verankern. Als Beispiel für eine erfolgreiche Verstetigung führt Herr Straub von der Fakultät für Sozialwissenschaft das Methodenzentrum an. Zu Beginn äußert sich die Prorektorin Freitag zu der Frage, wie es nach dem Auslaufen des Qualitätspakt Lehre-Projekts inSTUDIESplus mit dem Forschenden Lernen an der RUB weitergeht. Während des Gesprächs ist Birgit Frey, die unter anderem die Summer Schools während beider inSTUDIES-Laufzeiten koordiniert hatte, zu hören.
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Prof. Dr. Kornelia Freitag: Also es geht weiter und es geht unter anderem eben deswegen weiter, weil wir es Curricula verankert haben und weil wir das Universitätsprogramm weiterführen, weil wir also weiter finanziell unterstützen, wenn Projekte, ganz unterschiedliche Projekte im Forschenden Lernen angefangen werden, immer mit dem Augenmerk auf Verstetigung. Und da wir schon zig Projekte gefördert haben, die auch verstetigt worden sind, kommen wir immer öfter auch in der Universitätskommission Lehre, in der das ausgewählt wird, in die Verlegenheit zu sagen “Moment, das hatten wir doch schon mal. Das braucht man jetzt vielleicht nicht neu entwickeln, aber wir können mal Leute in Austausch bringen”, und man muss wirklich sagen, dass dieses Konzept des Forschenden Lernens bzw. verschiedene Ansätze des Forschenden Lernens auch ganz gezielt auf Studienanfänger:innen, auf Fortgeschrittene, auf unterschiedliche Disziplinen (darüber haben wir gar nicht gesprochen). Im Grunde vertrete ich ja eine Disziplin, eine andere Disziplin als die anderen hier Versammelten. Ich bin weder Bildungswissenschaftlerin noch Sozialwissenschaftlerin. Ich beschäftige mich mit experimenteller Lyrik. Da ist es aber sehr schwer, Studierende im Bachelor daran zu führen. Das dauert eine Weile mit der Forschung. Und insofern ist der Einbezug der Studierenden, die verschiedene geisteswissenschaftliche Studiengänge belegen, ins Forschende Lernen, die überhaupt nur möglich, wenn man da auch etwas niedriger ansetzt und andere Zugänge schafft. Vielfalt spielt eine große Rolle und der Austausch ist ganz wichtig und der klappt gut. Sie haben den Lehrplan schon genannt. Das Zentrum für Wissenschaftsdidaktik ist eine wichtige Stelle für die Verstetigung. Also ich bin da ganz sicher, dass wir keine Angst um’s Forschende Lernen haben müssen.
Prof. Dr. Joachim Wirth (Beginn 02:00 Minuten): Ich möchte nochmal drauf hinweisen und unterstützen, was Frau Freitag gesagt hat. Ich mache mir keine Sorgen um das Forschende Lernen an der RUB. Um ehrlich zu sein, weil wir nicht nur Formate, die im Rahmen von inSTUDIESplus entwickelt worden sind, natürlich auch aus dem Universitätsprogramm, weil viele Formate da verstetigt und eben auch Curricula eingebunden worden sind. Und wenn ich an einen der größten Masterstudiengänge der RUB, nämlich den Master of Education denke, das sind sehr, sehr vielfältige Aspekte von Forschendem Lernen in die Lehramtsausbildung curricular eingebunden. Wenn man sich die Begleitung des Praxissemesters anschaut, wenn wir uns anschauen, dass jeder der Studierenden eigentlich einmal das Alfried-Krupp-Schüler-Labor von innen gesehen haben muss und dort auch forschungspraktische Erfahrungen gesammelt haben muss, dann sind das derzeit in der Tat keine klassischen Forschenden Lernen-Formate. Aber es ist ganz viel Forschungsaspekt in der Lehre, die wir da reinbringen. Insofern mache ich mir da gar keine großen Sorgen.
Prof. em. Dr. Dr. h.c. Hohannes Wildt (Beginn 03:00 Minuten): Ich war ziemlich beeindruckt von der ganzen institutionellen Strategie in Bochum, hier zu lesen in dem Buch, der letzten zehn Jahre, wie diese Implementationsstrategie des Forschenden Lernens da gelaufen ist, mit welchen Unterstützungen usw.. Also ich halte auch sehr viel davon, die Fragen curricular zu verankern. Es ist aber eben die Frage, wie sich die Fachkulturen entwickeln. Also Herr Wirth, was sie eben erzählt haben, das finde ich alles sehr plausibel. Es kann aber eben auch den Effekt haben, dass die innovativen Aspekte des Forschens Lernens wieder sozusagen rückwärts eingesammelt und absorbiert werden in die doch üblichen Fachroutinen. Und ein sehr belebendes Moment, sie haben das ja auch gesagt, ich halte das auch für sehr wichtig, wie etwa dieses Zentrum für Wissenschaftsdidaktik oder vergleichbare Einrichtungen haben sehr viele Hochschulen. Auch das Schreibzentrum und Beratungseinrichterungen und alles das, was auch bei Ihnen Herr Salden unter Third Space subsumiert. Das ist eine Kultur, ein Autor aus der HIS hat das mal benannt als zweiten Beruf der Lehre, der eine Funktion in der Entwicklung von Lehrqualität hat, die durch die Lehrenden alleine mit ihrer Hauptaufgabe der wissenschaftlichen Arbeit und der Strukturierung ihrer Lehre durch die Forschung, der Lehre aus der Forschung heraus, nicht leisten. Also dieses Geflecht von auch neuen Personalstrukturen. Da beobachte ich mit etwas zwiespältigen Gefühlen, wie in diesem Bereich die Verstetigung von Arbeitsmöglichkeiten in verschiedenen Hochschulen verläuft. Bei den Mitteln des Qualitätspaktes entbrennt natürlich die Frage “Welche Stellen werden jetzt kontinuierlich und welche nicht?” Und die ganze Third Sphere hat bisher darunter gelitten, dass hochgradig parzelliert Verträge geschlossen worden sind mit Kurzzeitformaten, schnellem Wechsel, die es sehr erschwerten, da eine Kompetenz aufzubauen. Schon im Management des Übergangs des Qualitätspaktes eins jetzt zu den neuen Fördermöglichkeiten gibt es schon viele Brüche an vielen Hochschulen und es werden gerade in diesem Bereich dieser Third Sphere erhebliche Zahlen an Kompetenzen sozusagen freigesetzt. Also ich kann das als Außenstehender nur sagen, weil ich diese Entwicklung schon auch als Leiter eines solchen Institutes über mehrere Jahrzehnte immer wieder erlebt habe. Und das finde ich einen Aspekt, der in die Politik in den Hochschulen gehört. Und es ist jetzt nicht damit getan, dass man jetzt sagt, die neue Innovationsagentur für die Lehre, die dabei der Töpfer-Stiftung angesiedelt ist, die springt jetzt in die Lücke rein und darüber läuft sozusagen das kurzzyklische Innovationsgetriebe. Das ist in den Hochschulen ja auch bekannt, auch in den Fächern, dass eine Projektuniversität (das hat der Lenzen mal gesagt) nicht unbedingt für eine kontinuierliche Wissenschaftsentwicklung zuträglich ist. Das betrifft auch diesen Bereich. Das kann man jetzt sehen und ich beobachte das jetzt mit Interesse, weil es auch unterschiedliche die Hochschulen sehr unterschiedlich machen, wie sie mit diesen neuen Möglichkeiten, die sich jetzt in den Zwanzigerjahren ergeben, umgehen. Ich kann das nicht beurteilen, wie sie das machen. Aber ich möchte das gerne als Monitoring an dieser Stelle einführen.
Prof. Dr. Kornelia Freitag (Beginn 06:57 Minuten): Ja, ich wollte dazu sagen, dass man das von zwei Seiten sehen kann und muss. Das eine ist, dass der gesamte Wissenschaftsbetrieb ja leider mit sehr viel befristeten Stellen lebt, ist ja nicht nur in dem Bereich, sondern auch in anderen. Und das ist nicht gut, weil da viele Talente ausgebeutet werden und dann ausscheiden und nicht mehr wissen wohin. Das ist aber hier an unserer Universität gerade im Bereich der Hochschuldidaktik schon seit Langem beobachtet worden und wir haben auch sehr stark aus dem QV-Mitteln versucht, die wissenschaftsdidaktischen Bereiche auszubauen. Mir wird immer gesagt, wir haben das größte Zentrum in Deutschland und wir haben sehr, sehr viele feste Stellen. Und wir haben gerade, glaube ich, in der zweiten Stufe des Qualitätspaktes darauf geachtet, uns zu überlegen, wie wir das machen, dass wir eben darauf achten, dass Kompetenzen aufgebaut werden, die weitergereicht werden können und dass man sich gut überlegt, wie man Projekte so führt, dass sie dann nachher nicht plötzlich abgebrochen werden, sondern integriert werden in das, was weiter getan wird. Prof. Dr. Jürgen Straub (Beginn 08:12 Minuten): Es geht ein bisschen vom Kernthema Forschendes Lernen weg, aber ich möchte eine andere Perspektive auf die Projektuniversität werfen, die Sie, Herr Wildt, hochgebracht werden. Wobei ich vorweg stellen möchte: Sicher, auch ich als Hochschullehrer würde mir wünschen, dass die Gelder einfach fließen und in großem Umfang durchgehend vorhanden sind und so weiter. Ich finde aber auch da hat Lehre womöglich ein bisschen auch von Forschung in Anführungszeichen gelernt, weil vor dem Qualitätspakt Lehrer oder vor der Qualitätsoffensive Lehrerbildung oder ähnlichem ist zumindest mir nicht bewusst geworden, dass Mechanismen, die wir aus der Forschungsförderung kennen, für die Förderung von Lehre eingesetzt worden sind. Und das haben wir jetzt auf einmal in der Entwicklung für Lehre. Ein Aspekt dabei ist auch, dass Lehre an Relevanz und Qualität von Lehre an Relevanz gewonnen hat. Über dieses System, was man auch alles schlecht finden kann, sollte man zumindest den Aspekt, glaube ich, nicht außen vor lassen oder übersehen.
Birgit Frey (Beginn 09:19 Minuten): Zu dem Aspekt der institutionellen Verankerung: Also was mir besonders wichtig ist, auch aus den Erfahrungen – ich bin ja so ein bisschen immer die Beauftragte fürs Interdisziplinäre gewesen, möchte das auch weiterhin sein. Und in den Sommerschule ist auch mit der Forschungs Orientierung und in vielen Forschungsprojekten haben wir eine interdisziplinäre Ansätze erprobt und zwar sehr erfolgreich, sodass die Studierenden aus unterschiedlichen Fächern auch bitte forschen, zusammen lernen und nicht immer nur in ihrem Fach lernen. Das ist vielleicht so ein bisschen noch ein Aspekt oder eine Perspektive, wo darauf achten müssen, wie wir das auch weiterhin institutionell verankern können. Also dass dieser über fachliche Austausch im forschenden Lernen auch weiterhin vielleicht auch mit einer Curricula. Ankommen passieren kann. Dass das nicht wegfällt. Weil sonst bleibt vieles dann einfach. Und der Austausch findet nicht mehr statt.
Prof. Dr. Jürgen Straub (Beginn 10:07 Minuten): Ja, es passt sehr gut dazu, zu diesem Thema der institutionellen Verankerung als auch zu dem, was Birgit Fre gerade gesagt hat. In diesem Programm Forschendes Lernen gab's nicht nur Einzelprojekte, gab es nicht nur die Förderung von einzelnen Projekten, sondern es gab den Aufbau eines Methodenzentrums, was gelungen ist und was verstetigt ist. Mittlerweile, also mit Abschluss dieses BMBF-Projekts, ist ein für mehrere, eigentlich alle Fakultäten der Universität zuständiges Methodenzentrum gegründet worden mit einer festen W2-Professur für qualitative Methoden. Und eines der Hauptargumente [für die Professur] war das verstetigte Methodenzentrum, was aus dem BMBF-Projekt hervorgegangen ist. Dafür muss eine andere Professur geopfert werden, weil wir müssen eine Hülle abgeben, um diese Professur halten zu können. Das ist ein solches Ding. Das ist verstetigt. Es ist institutionalisiert und das ist ein Angebot für alle Fakultäten. Das heißt, genau dieser Austausch, also was du gerade gesagt hast, Birgit, dieser Austausch über unterschiedliche Qualifikationsstufen innerhalb einer Fakultät, also Bachelor, Master, Promotion, Habilitation, sogar, aber auch der Austausch über unterschiedliche Fakultäten hinweg läuft über das Methodenzentrum. Also das ist von der Struktur her alles perfekt verankert in der Ruhr-Universität. Aber es ist viel zu wenig bekannt beim Personal unserer Universität. Es gibt jetzt mittlerweile Beispiele und diese Beispiele sind zum Teil zufällig zustande gekommen. Rebecca Thrun macht ein Forschendes Lernen-Projekt. Gelebte Kritik, heißt es. Wir haben dann, nachdem dem das Rektorat diesen Antrag abgelehnt hatte, nach Kooperationspartnern in anderen Fakultäten gesucht. Das ist auch gelungen: aus der Theologie, also Institut für Religion und Gesellschaft, Isolde Karle. Die machen gelebte Kritik und die Rebecca Thrun hat also eine wissenschaftliche Mitarbeiterin gefunden. Die machen jetzt mit der Theologie zusammen ein Projekt, was im Bereich Forschenden Lernens angesiedelt ist, und nutzen da – also beide Fakultäten – die Angebote des Methodenzentrums. Jetzt sind die total begeistert und schicken die Theologie-Studierenden, die nämlich mit empirischen Forschungsmethoden der Sozialwissenschaften oder auch der Kulturwissenschaften arbeiten, in das Methodenzentrum. Das ist ein Beispiel, wo das mit Sicherheit irgendwie sehr gut funktionieren wird. Es ist genauso in in allen philologischen Disziplinen. Wenn irgendjemand in der Anglistik was über Gedächtnis, Kultur in Großbritannien oder so macht und da Leute befragt, dann sollen die ins Methodenzentrum kommen und sich sagen lassen, wie man solche Befragungen wissenschaftlichen Standards gemäß durchführt. Und da gibt's bestimmt noch mehrere Möglichkeiten, das institutionell zu verankern, diese Fakultäsübergreifende und fachübergreifende Kommunikation im Hinblick auf unterschiedliche Elemente im Programm Forschendes Lernen.
Prof. Dr. Kornelia Freitag (Beginn 13:16 Minuten): Ja, also das passt ganz gut, weil ich auch nochmal darauf hinweisen wollte, dass eben die Frage der Verstetigung ja auch über Personen passiert und das eben dadurch, dass es jetzt doch einen gewissen Austausch gegeben hat, dass also sowohl Personen, die im Projekt gewesen sind, in Fakultäten gekommen sind oder in andere Einrichtungen. So gibt es natürlich auch eine Wissensverbreitung in andere Organisationsformen und das ist ja auch sehr wichtig. Was ich aber eigentlich ursprünglich sagen wollte, ist, dass das Methodenzentrum eben wirklich ein ausgezeichnetes Beispiel dafür ist, wie aus einem Projekt eine für viele, wenn nicht alle Bereiche der Universität, für alle Studierendne sehr, sehr nützliche Einrichtung werden kann. Denn es ist ja so, dass nicht nur die Fakultät von Herrn Straub sich entschlossen hat, das dadurch zu unterstützen, dass sogar eine Professur in diese Richtung geht, sondern dass auch Stellen sowohl vom Rektorat als auch von den Nutzern und Nutzerinnen sich beteiligen, um das weiterzuführen. Also da zeigt sich, dass durch ein Projekt – allerdings ein Projekt, das länger ging als zwei Jahre, Das muss man ganz, ganz klar sagen, das ist eben wichtig, diese drei, zwei, drei Jahre, das ist immer sehr, sehr kurz – aber dass da Dinge angestoßen worden sind, die weitergeführt wurden und die jetzt dazu führen, dass für die Lehre in allen Bereichen eine Bereicherung passiert. Und das waren ganz, ganz viele dran beteiligt.
Prof. em. Dr. Dr. h.c. Johannes Wildt (Beginn 14:56 Minuten): Ich fand auch dieses Methodenzentrum eine sehr originelle und wichtige, also überzeugende Einrichtung, wie überhaupt einzelne Einrichtungen, auch diese Sommerschule zum Beispiel, das sind ja bestimmte institutionelle Muster, die aus den einzelnen Fächern heraus nur schwer generiert werden können. Ich finde das natürlich klasse, wenn die Fakultäten da initiativ werden und sich zusammentun. Das zeigt ja auch, dass das übergreifende Strukturen sind, die doch sehr wichtig sind, um solche komplexen Konzepte wie Forschendes Lernen auch dauerhaft zu generieren. Deswegen meine ich, ich bin also immer dafür, dass im Bereich der Lehre auch eine Projektförderung stattfindet und die Problematik stellt sich bei der Innovation der Lehre und der Forschung aber nicht identisch. Also man müsste da, glaube ich, noch differenzieren. Ein holländischer Kollege hat das mal so auf den Begriff gebracht: Das es in der Forschung sozusagen um den Feinschliff von Diamanten geht, im Sinne einer Spitzenforschung, auf die man auch Projekte konzentriert, während die Lehre eine Funktion der Hochschule ist, die eher in die Breite geht. Also die Qualität der Hochschule in der Lehre erweist sich nicht durch einzelne Leuchttürme, sondern durch die Anhebung des durchschnittlichen Niveaus. Das erfordert etwas andere Innovationsprozesse und Strukturen zu finden, die eine qualitätsvolle Lehre immer wieder neu generieren, ohne dass die dem Originalitäts- und Konkurrenzdruck, unter den sonst wissenschaftliche Arbeit steht, ausgeliefert ist. Für die Lehre braucht man eine solche Kontinuität in der Generierung.
Studentische Partizipation im Forschenden Lernen
Andrea Koch-Thiele aus dem Projektmanagement von inSTUDIES und inSTUDIESplus berichtet über ihre Erfahrungen mit studentischen Initiativprojekten in der Lehre, die als Partizipationsmöglichkeit gefördert wurden.
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Andrea Koch-Tiele, Koordinatorin der studentischen Projekte in inSTUDIES(plus): Ich fand es total klasse, dass wir wirklich fast zehn Jahre Zeit hatten, um an Formaten und Entwicklung zu arbeiten. Und ich habe die meiste Zeit ja mit Studierenden gearbeitet und die Studierenden hatten dadurch, dass wir ein eigenes Programm hatten zur Partizipation von Studierenden oder für eigene studentische Projekte in Lehre und Forschung, die Möglichkeit, auch aktiv zu werden und aktiv in ihrem Fach, über die Fächer hinaus mit anderen zusammen und einiges auszuprobieren. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich da eine, sagen wir, sehr vertrauensvolle Kultur entwickelt hat, dass Lehrende mit Studierenden zusammen an Lehre und Forschung arbeiten und dass aus studentischen Projekten Projekte des Forschenden Lernens geworden sind. Und dass die Studierenden natürlich am Ende ihres Studiums vielleicht wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Methodenzentrum sind oder an anderen Stellen sitzen und aktiv werden oder promovieren mit ihren Fragestellungen. Und meine Erfahrung so im Unterschied zu anderen Hochschulen ist, dass es lange Zeit braucht, um Studierende wirklich zu beteiligen, dass sie ihre Mitsprache-Möglichkeiten nutzen, dass sie sich einbringen. Im letzten Jahr sah man spannende Sachen durch die Digitalisierung, wo ich dachte, jetzt sind die Studierenden ganz vorne und helfen den Lehrenden mit in neue Systeme. Und es ist einfach erfreulich zu sehen, dass das so ein bisschen ineinander wächst. Ob jetzt in der Wissenschaftsdidaktik, beim E-Learning oder in anderen Bereichen, das ist egal. Und es funktioniert, so glaub ich, in allen Fächern. Also wirklich Geisteswissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, Naturwissenschaften. Ganz egal. Es funktioniert in allen Fächern. Und Studierende werden selbstbewusster und engagierter. Und da gibt es auch ganz spannende Projekte an anderen Universitäten. Und ich würde mich freuen, wenn sozusagen von dieser Partizipation der Studierenden auch in die neuen Förderprogramme da irgendetwas überführt werden kann. Ich sehe es heute leider noch nicht, aber ich weiß, daran muss man arbeiten, weil nur so gemeinsam, glaube ich, gibt's Leben.
Beispiel aus studentischer Sicht
Die Studentin Rebekka Scheler äußert sich zu ihrer Sicht auf Lehre im Format des Forschenden Lernens an der RUB. Sie hatte ein studentisches Initiativprojekt als Lehrveranstaltung für jüngere Studierende angeboten.
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Rebekka Scheler, Studentin: Hallo, ich bin Rebekka Scheler, ich studiere evangelische Theologie. Ich habe vor Jahren mit Jan Gehm zusammen, der auch irgendwo hier eine kleine Kachel ist, angefangen in einem inSTUDIES-Projekt bei Andrea Koch-Tiele, wo wir eine Vorlesungsreihe gemacht haben und haben dann daraus immer wieder auch andere Sachen entwickelt. Wir haben noch eine Summer School gemacht. Wir haben Forschendes Lernen gemacht und haben viel uns mit dem Nahen Osten befasst, Interview-Techniken über’s Methodenzentrum mit den Studierenden gelernt, die dann in verschiedene anderssprachige Gemeinden geschickt, wo sie dann selber eben Dinge rausfinden konnten und hinterher das reflektiert haben, gemeinsam. Das war immer eine sehr spannende Arbeit. Es hat uns jedesmal wieder vor neue Fragen gestellt, sowohl seitens der Studierenden als auch von unserer Seite. Was brauchen die Studierenden? Was für Methoden? Was für Infos? Was für Theorien müssen wir ihnen an die Hand geben? Ich fand, wir wurden sehr gut unterstützt von den verschiedenen Einrichtungen, besonders von Andrea. Das war immer unsere Ansprechpartnerin für alle Fragen, für alles, was irgendwie war. An der Fakultät war das manchmal ein bisschen schwierig. Also am Anfang wurden wir so ein bisschen belächelt. Das war so jaja, macht ihr da mal. Wir hatten das Glück, dass wir von Anfang an eine Dozentin an unserer Seite hatten, die Claudia Rammelt aus dem Mittelbau. Die aber alle anderen waren da doch sehr skeptisch. Also wir sind auch viel diesem “Ja, ihr wollt uns ja an die Forschung dran” begegnet. Also entweder dieses Gefühl, man will den Professoren etwas wegnehmen oder eben “das hat nicht das Niveau, das wir unbedingt haben müssen”, ohne wahrzunehmen, was der Lerneffekt für Studierende dabei ist. Und was für uns dann schwierig war, war immer in so eine Richtung Verstetigung zu gehen. Also weil man eben auch gegen diese Widerstände ankämpfen musste und Gelder finden musste. Und auf der anderen Seite war es teilweise schwierig, bestimmte Vorgaben bei uns mit einzubauen, also z.B. beim Forschenden Lernen, wenn man denkt, das soll auf ein Jahr angelegt sein, dass in unseren Studiengängen funktioniert das nicht wahnsinnig gut. Also gerade für unsere Bachelor ist das ein Problem. Aber auch bei uns. Wir haben noch einen Magisterstudiengang für die Kirche, für die Fachausbildung. Auch da ist es ein bisschen problematisch und dann auch innerhalb der Fakultät, da sind dann immer wieder so kleinere Probleme oder größere Probleme, die einem da auf dem Weg begegnet.
Dr. Sandra Plontke, Moderatorin (Beginn 02:39 Minuten): Aber trotz all der Hindernisse und Herausforderungen, die Sie genannt haben, ein erfolgreiches Projekt, und das war ja viel interdisziplinär dann unter Einbezug des Methodenzentrums, aus studentischer Initiative heraus und dann mitten im Zeitmanagement, das einzuhalten ist, mit Verstetigungsabsichten, et cetera. Und dann noch dieser Druck, seriöse Forschung zu betreiben und so. Also das hört sich wirklich nach einem großen Umfang an, aber zeigt ganz deutlich die Facetten, also womit man da konfrontiert ist im Forschenden Lernen. JürgenStraub sagt das ja auch in seinem Aufsatz, ja in der Einleitung zum Forschenden Lernen: Es wird oft idealisiert und vielleicht dann auch ein bisschen einfacher dargestellt, als es dann tatsächlich ist.
Gestaltung der Lehre
Herr Straub geht in knapp fünf Minuten insbesondere auf die Gestaltung von Forschendem Lernen ein und führt Peer-to-Peer-Formate als eine Idee für die Lehre ein, die er in seinen Lehrveranstaltungen bereits nutzt.
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Prof. Dr. Jürgen Straub: Wir haben schon immer so öffentliche Veranstaltungen gemacht, aber wir müssen es einfach in die verschiedenen Fakultäten hinein noch viel mehr kommunizieren. Obwohl es in so gut wie allen Fakultäten solche Projekte gab, wir haben ja immer darauf geachtet – Frau Freitag und Herr Wirth und ich – dass alle was abkriegen und so, und dass du da nicht alles nur in die G-Reihe kommt oder sowas und da noch in zwei Fakultäten. Aber man müsste das trotzdem noch mehr machen, glaube ich, noch mehr bekannt machen. Und die, die in den einzelnen Fakultäten solche Projekte gemacht haben, die müssten das stärker vorstellen in ihren Fakultäten, dass das bekannt ist. Auch diese Probleme, z.B. die curriculare Einbindungbarkeit eines einjährigen Empirie- oder Forschungsprojekts im Master, solche Sachen muss man diskutieren. Da muss noch irgendwie Platz schaffen, da muss man möglicherweise andere Formate – haben wir ja jetzt auch schon gemacht, wie geht es in einem halben Jahr oder sowas weiter. Das sind total wichtige Sachen. Aber ich wollte was sagen, weil es um diese Gestaltung dieser Lehre, dieser Forschendes Lernen-Seminare geht, was für mich unglaublich wichtig geworden ist die letzten Jahre. Wir haben vorher gesprochen, dass kann eine Überforderung sein für alle Beteiligten, Herr Wirth hatte das, glaube ich, gesagt, auch für die Studierenden, aber auch für die Lehrenden. Also immer noch 15, 20 Leute oder manchmal haben wir das noch mit noch mehr gemacht, das ist schon verdammt anstrengend und zeitaufwändig. Das heißt zwei Dinge: Erstens glaube ich, dass diesen Projekten grundsätzlich immer irgendwie eine studentische Hilfskraft zur Seite gestellt werden muss, die bestimmte Sachen übrigens jede Fakultät hat. Die Dekanats sollten das entscheiden. Können wir Zukunftskonzepte oder was auch immer drüber schreiben und so. Aber das ist ein ganz einfaches Ding, aber sehr wichtig. Es gibt einen Topf für alle Projekte Forschendes Lernen, wenn man es macht. Ohne Unterstützung von Rektorat oder Studis und das machen wir ja, sind ja verstetigt. Die sagen, die sollen jetzt auch so laufen, dann müssen die Dekanat ein bisschen Hilfskraftmittel zur Verfügung stellen. Zweitens, was wir gemacht haben, Herr Wirth, Frau Freitag, wir haben dieses Peer-to-Peer-Learning kultiviert und das heißt, es ist das für mich jetzt Wichtige, nicht nur sowas, das ohnehin passiert, dass die Seminarteilnehmer und -teilnehmerinnen gemeinsam kooperativ forschend lernen, das heißt sich gegenseitig bereichern, sondern wir haben systematisch Prinzipien entwickelt über unterschiedliche Qualifikationsniveau. Ich habe über 20 Doktorand:innen. Warum sollen wir nicht ab und zu mal ein Seminar kommen und von dem, was ich ihnen manchmal gebe, etwas zurückgeben, indem sie sich in der Lehre so engagieren, dass sie für ihre eigenen Forschungsprojekte was davon haben. Aber auch die Seminarteilnehmer:innen, die von den Doktorand:innen was haben. Also das heißt, dies dann MaDok-Prinzip, also Austausch zwischen Promotionsebene und Master-Ebene. Und das gleiche machen wir seit einem, ein, zwei Jahren, ich weiß nicht genau, mit den Masterstudierenden im Austausch mit dem B.A.. Also wir holen systematisch Leute mit Masterabschluss-Projekten in die B.A. Empiriemodule und sagen, die können da mitarbeiten oder sie können sich von den beraten lassen. Die können da einen Seitenzweig aufmachen und so weiter und so fort. Dieses Prinzip, eine Qualifikationsstufen-übergreifenden Lehre haben wir. Und das ist sozusagen das. Sie haben völlig recht, auch da will ich gesagt haben, das ist etwas, was in die Breite geht, sozusagen über die gesamte Palette hinweg. Und die elitäre Variante dieses Prinzip, das sind unsere Masterklassen am Kulturwissenschaftlichen Institut, was auch ziemlich unbekannt ist, das gemeinsame Forschungsinstitut der Ruhr-Universitäten ist, viele wissen das gar nicht. Das heißt, wir haben das jedes Jahr gemacht über inSTUDIES mit Herrn Wirth immer zusammen, eine Meisterklasse, z.B. Pamphlets Schütze, jetzt ist die Aglaja Cyborczi, also renommierte Leute in der qualitativen Sozialforschung und Kulturanalyse, dabei, die zwei, drei Promotionsprojekte und zwei, drei Masterprojekte besprechen über zwei Tage hinweg. Das heißt, diese ganzen Forschendes Lernen-Veranstaltungen leben unglaublich stark von Kooperation im Lehrkörper. Ja und das Machen wir nicht alles alleine. Das überfordert, auch mich, also ich kann auch nicht alles alleine machen. Man bräuchte eigentlich Lehr-Teams für Projekte Forschenden Lernens, wo unterschiedliche Qualifikationsstufen versammelt sind und dann auch eine kommunikative Stärke entwickeln, die eine oder einer allein nie hinkriegt.
Umgang mit Unsicherheiten
Herr Wirth und Frau Freitag greifen abschließend den Aspekt der Unsicherheit als eine Herausforderung für Lehre im Format des Forschenden Lernens auf und erläutern, warum Ambiguitätstoleranz wichtig ist, und warum solche Lehrangebote nicht nur im Optional- oder Ergänzungsbereich angesiedelt sein sollten.
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Prof. Dr. Joachim Wirth: Aus meiner Perspektive ist eine der Herausforderungen, das hab ich auch in diesem Geleitwort zu dem Sammelband kurz angeführt, unter dem Stichwort Unsicherheit zu bringen. Und zwar Unsicherheit für alle Beteiligten. Für die Lehrenden und für die Lernenden. Nicht, dass eine herkömmliche Lehrveranstaltung von enormer Sicherheit geprägt wäre, also beispielsweise, dass der Lehrende oder die Dozentin sicher sein könnte, dass am Ende des Semesters die Studierenden wirklich all das gelernt haben und diese Kompetenzen usw. erworben haben, die man als Lehrziel vielleicht am Anfang des Semesters hatte, aber die Sicherheit ist trotzdem höher. Beim Forschenden Lernen muss ich als Dozent, als Dozentin ganz viel Verantwortung abgeben und den Studierenden überlassen. Und meine eigene Kontrolle muss ich sozusagen zurückschrauben. Ich habe deutlich weniger Planbarkeit. Ich muss deutlich flexibler und auf Augenhöhe darauf reagieren, was die Studierenden machen. Und auf Seiten der Studierenden ist es dasselbe. Auch sie können nicht so sicher sein, was am Ende rauskommt. Wie wenn man ihnen sagt “Hier aus dem Buch lernst du dieses von vorne bis hinten durch und du sollst das wissen, was da drin steht”, das ist planbar und da weiß ich sicher, was rauskommt. Aber das macht dann die andere Seite von Unsicherheit auch wieder aus: Es ist verdammt langweilig. Diese Sicherheit und diese Unsicherheit kann eben auch als Chance, nicht nur als Herausforderung gesehen werden. Und nicht zu wissen, was am Ende rauskommt, das ist einfach auch eine eine ganz große Spannung und bringt auch Innovation rein. Beispielsweise haben wir es bei studentischen Initiativen ja auch ganz häufig gesehen, dass auch auf einmal Themen und Fragestellungen hochkommen, an die man so als etablierter Lehrender vielleicht selber gar nicht kommt. Also es bringt einfach eine Vielfalt und und ganz viel Farbe in die in die Lehr-Landschaft. Voraussetzung dafür ist tatsächlich, und das muss man sich immer wieder erkämpfen und das muss man auch strukturell eben gewährleisten: Man braucht diese Freiheiten auch im Curriculum und in dem Modulhandbüchern und so weiter. Wenn die so unglaublich eng gestrickt sind, dass genau vorgegeben ist, was in einem Modulteil genau inhaltlich und an Kompetenzen zu vermitteln ist, und man hat dann eigentlich ein schönes Thema und würde das gerne mit dem Forschenden Lernen unterbringen, dann kriegt man es manchmal da nicht unter. Dann gehen wir immer in den Optionalbereich oder in Ergänzungsbereich im Master, weil wir es in dem eigentlichen Fachcurriculum womöglich aufgrund der Beschreibungen in den Modulhandbüchern etc. noch nicht richtig unterbringen. Hier müssen wir, glaube ich noch ein bisschen arbeiten an der einen oder anderen Stelle, um Formulierungen in diesen Texten zu finden, die uns diese Freiheiten ermöglichen, Unsicherheit in die Lehre mit reinzubringen. Und dann habe ich eine gute Grundlage für Forschung.
Prof. Dr. Kornelia Freitag (Beginn 02:41 Minuten): Das passt wunderbar, weil ich darauf hinweisen wollte, auch in Reaktion auf die Einlassung, wie schwer das teilweise immer noch ist, Fakultäten davon zu überzeugen, dass auch student initiated projects eine Möglichkeit haben sollten und dass man damit Credits verdienen kann. Es ist einfach so, dass sich die Fakultäten und die Lehrenden mehr darüber im Klaren sein müssen, dass sie selber die Modulbeschreibung geschrieben haben. Dass also niemand in Bologna sitzt, der gesagt hat, in der Fakultät für Philologie hat in der Anglistik das so und so zu sein, das haben wir selber gemacht. Ich würde sagen, dass – ich bin etwas später zum Bologna-Prozess, zu diesem System dazugestoßen – ich denke, der ist in Deutschland auch oft sehr schlecht umgesetzt worden. Ich sehe ihn in Frankreich, in Irland und so Modulbeschreibungen, die alle möglichen Dinge zulassen, die bei uns von der KMK verboten sind. Ich glaube, dass diese Orientierung, die jetzt aus Bologna kommt, student-centered teaching zu Machen, ja genau das ist, wo wir uns hier hin bewegen. Was aber in einem sehr stark strukturierten und klein gekochten und aber auch durch die Lehrverpflichtungsverordnung sehr stark geregelten System dann wahnsinnig schwer umzusetzen ist. Insofern denke ich wirklich, dass wir daran arbeiten müssen. Herr Wirth hat es eben schon gesagt, vielleicht ein bisschen mutiger zu sehen, welche Spielräume wir in diesem System auch haben, weil man auch Module bauen kann, die vielleicht etwas kühler formuliert sind und dann dementsprechend ausgefüllt werden müssen. Aber sie müssen dann eben ausgefüllt werden und wir wissen alle, dass man dasselbe wiederholt, weil es natürlich einfacher ist. Also es ist eine unheimlich hohe Verantwortung, die wir Lehrenden tragen, dieses System auszufüllen und für uns passend zu machen. Das geht in vielerlei Hinsicht. Aber es ist auch wirklich so, dass im Rektorat sehr, sehr klar ist, dass unsere Lehrenden auch unheimlich viel leisten, unheimlich viel Stunden machen müssen und das immer alles noch on top of everything else zu verlangen, eigentlich nur unverschämt ist und deswegen sind solche Projektmittel so wichtig, deswegen sind flexible Mittel auch so wichtig, und das versuchen wir auch mit Macht so zu erhalten. Und da hoffen wir auch, dass der Zukunftsvertrag Lehre uns auch wieder so eine wiggeling room gibt, um zu unterstützen. Aber das ist wirklich ein komplexes Gefüge. Aber ich glaube Bologna-Schellte, also da müssen wir uns teilweise auch an die eigene Nase fassen.
Kompetenzen prüfen im Kontext Forschenden Lernens
Ausgangspunkte
Das Prüfen von Kompetenzen im Kontext Forschenden Lernens verlangt zunächst einmal nach einer Standortbestimmung. Was versteht man unter Forschendem Lernen, welche Kompetenzen werden hier vermittelt, die geprüft werden sollen?
Forschendes Lernen
Gewöhnlich werden mit dem Schlagwort „Forschendes Lernen“ mindestens drei Aspekte verbunden: das Lernen von Forschung, das Lernen mit Bezug auf möglichst aktuelle Forschungsergebnisse und -methoden sowie Lernen im „Format der Forschung“. Dem Lernen im „Format der Forschung“ (Wildt, 2009; Schneider / Wildt 2009) kommt in diesem Dreiklang eine besondere Bedeutung zu. Als Unterrichtsform und curriculares Prinzip umfasst es nämlich die beiden anderen Aspekte. Plastisch spiegelt dies eine Definition von Reiber und Tremp aus dem Jahre 2007 wider: „Forschendes Lernen meint die Einführung in die Wissenschaft im Medium wissenschaftlicher Reflexion und Arbeitsformen. Gelernt wird Forschungshandwerk ebenso wie disziplinäres Wissen. Eingeübt wird eine Haltung, welche wissenschaftliches Tun auszeichnet: etwas wissen wollen, mit kritischer Distanz einen Sachverhalt und eigene Anschauungen infrage stellen. Forschendes Lernen lässt sich dadurch charakterisieren, dass das akademische Fach nicht als fertiges und festes Lehrgebäude behandelt, nicht als statischer Besitz bestimmter Kenntnisse präsentiert, sondern durch Fragen erarbeitet wird, auf die die Forschung Antworten sucht.“ (Reiber / Tremp, 2007, S. 3). Der Prozess des Forschenden Lernens, verstanden als Lernen im Format der Forschung, ist analog dem Prozess der Forschung strukturiert – beide Prozesse können „mit Kategorien des Forschungshandelns übereinstimmend beschrieben werden“ (Schneider / Wildt, 2009, S. 54). Der Generierung von Wissensbeständen, Fertigkeiten und Praxis, die einer Disziplin neu sind, entspricht auf der persönlichen Ebene der individuelle Lerngewinn (vgl. Wildt, 2009; Schneider / Wildt, 2009).
Kompetenzen und Forschendes Lernen
Forschendes Lernen ist damit seinem Wesen nach kompetenzorientiert. Für die Lernenden steht dabei der Prozess von Forschung im Zentrum, wobei sie sich schrittweise in den Prozess der Produktion, Darstellung und Verbreitung von Wissen und Praxis einarbeiten. Forschendes Lernen vollzieht sich im Curriculum der Studierenden auf unterschiedlichen Niveaus, wobei die etablierten Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten einer Disziplin in ihrer Prozesshaftigkeit fokussiert und schließlich überschritten werden (vgl. dazu das Kompetenzstufenmodell von Schneider / Wildt, 2009, und die Überblicke bei Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich, 2007, S. 14, und Ruschin, 2010, S. 116). Dem trägt beispielsweise auch das „Zukunftskonzept Lehre“ der Ruhr-Universität Bochum Rechnung, das bereits am Ende der Schulausbildung ansetzt und folgende Stufen unterscheidet: „Forschung erfahren“ (vor BA-Phase), „Forschung erlernen“ (BA-Phase) und „Forschung leben“ (MA-Phase). Als wesentliche Merkmale des Forschenden Lernens werden gesetzt: „Selbständigkeit“, „wissenschaftlicher Anspruch“, „Offenheit und Freiheit“, „Gemeinschaftlichkeit, Miteinander und Gemeinsinn“ und schließlich „Öffentlichkeit“ (http://www.ruhr-uni-bochum.de/studium/pdf/zukunftskonzept_lehre.pdf, aufgerufen 11.12.2011). Im Vergleich zu älteren Ausbildungskonzepten bedeutet dies nicht nur für die Lernenden, sondern auch für die Lehrenden eine veränderte Situation. Die Lernenden betreten ein für sie oft ungewohntes Terrain, in dem Lernprozesse offen verlaufen, die Freiheiten eher groß und die Vorgaben eher klein sind, zudem ein neuer Umgang mit „Fehlern“ und „Umwegen“ notwendig ist. Die Lehrenden sind etwa aufgefordert, ihre Rolle als „Lehrer“ im Sinne eines klassischen Experten für ihr Fachgebiet immer wieder zu verlassen und etwa als Lernbegleiter Teil des Lernprozesses zu werden (vgl. etwa Beneker, 2010).
Kompetenzarten
Forschendes Lernen verläuft in einem Curriculum also stufenweise. Schritt für Schritt eignen sich die Studierenden Forschungskompetenzen auf immer „höherem“ Niveau an. Wichtige Zielpunkte sind hier sicherlich die sogenannten Fachkompetenzen, die je nach Disziplin spezifisch strukturiert sind. Von großer Bedeutung sind aber auch die allgemeinen, sogenannten überfachlichen oder Schlüsselkompetenzen, wie sie üblicherweise in der allgemeinen Kompetenzdiskussion unterschieden werden: Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz (vgl. die Überblicke bei Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich, 2007, S. 12, und bei Kopf / Leipold / Seidel, 2010, S. 2 – 5). Insofern ist die Diskussion um Prüfungen von Kompetenzen im Kontext forschenden Lernens ein Teil der allgemeinen Diskussion um Kompetenzen und ihrer Prüfung (vgl. dazu Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich, 2007; Huber 2008; Reis / Ruschin, 2008; Kopf / Leipold / Seidel, 2010).
Formen des Forschenden Lernens
Die Stufen des Forschenden Lernens, von der „eigenständigen Recherche von Forschungsbefunden zu einer Frage und ihrer strukturierten Aufarbeitung für bestimmte Zwecke bis zur „Reflexion, kritischen Analyse und Bewertung des eigenen Forschungshandelns und anderer Personen“ (vgl. Reiber / Tremp, 2007, S. 11, und die dort zitierte Literatur) korrelieren mit Formen des Forschenden Lernens.
- Recherche und Essay (Exposé): Auffinden, Strukturieren und Diskutieren der schon vorhandenen, erreichbaren Informationen; Problemfindung, -definition; Hypothesenbildung
- Komplexere Laboraufgaben mit Offenheit der Ergebnisse, nicht nur der einen richtigen Lösung (open end labs)
- Untersuchung einzelner konkreter Problemfälle und Fallstudien, dem Ansatz des problem based or case oriented learning folgend
- Exkursionen, field studies
- Erprobung von Methoden „im kleinen“ an noch nicht untersuchten Problemen: „Lehrforschung“
- Hospitationen oder Volontariate, phasenweise, in Forschungs- oder Konstruktionslaboren, evt. mit vorbereiteten Beobachtungsaufgaben (auch unter Umständen als Hilfskrafttätigkeit)
- Plan- und andere Simulationsspiele
- Projektstudien in unterschiedlichster Größenordnung
- eigene Untersuchungen („thesis“)
Die Auswahl für einen konkreten Einsatz in der Lehre muss in Abhängigkeit von der jeweiligen Disziplin und den jeweils anvisierten Kompetenzen und Kompetenzstufen erfolgen. Zu berücksichtigen ist außerdem, welche Unterrichtsformen passend und realisierbar sind.
Prüfungen und Prüfungsformen
Da beim Forschenden Lernen Kompetenzen im Mittelpunkt stehen, sind für „Prüfungen“ im Kontext Forschenden Lernens einige klassische Formate, wie etwa MC-Klausuren, primär weniger geeignet. Zur Prüfung von Lernzielen, die Teil der zu vermittelnden Kompetenzen sind, etwa Wissensbestände, kann ihr zusätzlicher Einsatz dennoch sinnvoll sein. Sie sollten aber behutsam eingesetzt werden, um die Lernanstrengungen der Studierenden nicht auf unerwünscht starke Weise in diese Richtung zu lenken. Für die Prüfung der Kompetenzen, die durch Forschendes Lernen erlangt werden, gilt dasselbe wie für die Prüfung von Kompetenzen allgemein: Sie werden nicht in einem klassischen Arbeitsergebnis allein sichtbar, da sie – etwa im Unterschied zu Lernzielen – aus komplexen Handlungsabläufen bestehen, in denen verschiedene Einzelleistungen koordiniert angewendet werden. Als angemessen werden aber begleitende Dokumentationen von Arbeitsverläufen (etwa in Form von Portfolios), Forschungsprodukte mit Kommentaren der Autoren und die Simulationen komplexer Situationen (etwa von Präsentationen mit Diskussion) angesehen (Huber, 2009, S. 25 – 26, vgl. auch Brinker / Schumacher, 2008, S. 182). Insgesamt kann man sich hier an den allgemeinen Erfahrungen mit der Prüfung von Kompetenzen orientieren und auf die bewährten Prüfungsformate zurückgreifen, unter denen man je nach anvisierten Kompetenzen und Kompetenzstufen auswählt (praktische Überblicke mit Kommentaren zu den einzelnen Prüfungsformen findet man z.B. bei Kopf / Leipold / Seidel, 2010, und Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich, 2007). Von besonderer Wichtigkeit ist es, dass gleichzeitig die Entscheidung für angemessene Veranstaltungsformate (von Vorlesung und Seminaren über Projektseminare, Übungen und Tutorien bis zu Praktika) und passende hochschuldidaktische Methoden fällt (vgl. den Überblick bei Kopf / Leipold / Seidel, 2010). Außerdem muss die Frage beantwortet werden, welche Rolle summative und formative Aspekte bei der Prüfung spielen sollen.
| Leistungsnachweise | Fachkompetenz | Überfachliche Kompetenzen | ||
|---|---|---|---|---|
| Methoden- kompetenz | Sozial- kompetenz | Selbst- kompetenz | ||
| 1 Falls zu zweit oder in der Gruppe durchgeführt | ||||
| Schriftliche Prüfungen | ×× | × | ||
| Mündliche Prüfungen | ×× | × | ||
| Referate / mündliche Präsentationen | ×× | × | ×1 | × |
| Schriftliche Arbeiten | ×× | × | ×1 | × |
| Posterpräsentationen | ×× | × | ×1 | × |
| Wissenschaftspraktische Tätigkeiten | ×× | × | ×1 | × |
| Studientagebücher / Lernjournale | ×× | × | × | |
| Portfolios | ×× | × | × | |
| Protokolle | ×× | × | ||
| Gruppenprüfungen | ×× | × | × | |
| Parcours (z.B. OSCE) | ×× | × | ||
| Forumsbeiträge | ×× | × | × | |
| Gruppenpuzzle | ×× | × | × | × |
Herausforderungen
Die besonderen Herausforderungen des Forschenden Lernens bestehen gewöhnlich besonders in der Kontrolle des induzierten Arbeitspensums (für die Lernenden und die Lehrenden) und einer erfolgreichen zeitlichen Organisation, in der Berücksichtigung der unterschiedlich weit gespannten Heterogenität der Studierenden und in der Auswahl geeigneter Prüfungsformen (vgl. etwa die Übersicht bei Huber, 2009, S. 22 – 28). Die folgenden allgemeinen Tipps sollen helfen, diese Problemfelder zu kontrollieren und schließlich auch Kompetenzen im Kontext forschenden Lernens erfolgreich zu prüfen. Dabei wird der Bogen bewusst über den Bereich der Prüfungen im engeren Sinne hinaus gespannt: Die Prüfungen sind ja nur ein Teil einer Veranstaltung bzw. eines Ausbildungsabschnitts oder eines Curriculums.
Tipps
- Planungen von A – Z, inkl. Prüfungsplanung, unbedingt vor Ankündigung einer Veranstaltung abschließen.
- Zielkompetenzen und Lernziele, Unterrichts- und Prüfungsformen für die Studierenden früh und transparent kommunizieren.
- Die Einbindung einer Lehrveranstaltung in das Gesamtcurriculum der Studierenden beachten und Antworten auf folgende Fragen suchen:
- Mit welchen Kompetenzen starten die Studierenden in meiner Lehrveranstaltung?
- Welche Lernziele, die Bestandteil oder Basis der Zielkompetenzen sind, haben sie schon erreicht?
- Ist meine Veranstaltung Basis für zukünftige andere Veranstaltungen?
- Wie viele Teilnehmer sind zu erwarten?
- Handelt es sich um eine Pflicht-, Wahlpflicht- oder Wahlveranstaltung? Welche Möglichkeiten bestehen, falls nötig die Teilnehmerzahlen zu begrenzen?
- Welcher Zeitaufwand wird für die Lernenden und Lehrenden induziert?
- Lernziele und Zielkompetenzen schriftlich fixieren, dabei die Lernziel- und Zielkompetenzstufen berücksichtigen und dabei nicht nur fachspezifische, sondern auch überfachliche Kompetenzen sowie curriculare Vorgaben berücksichtigen.
- Das Niveau der Zielkompetenzen behutsam festlegen sowie den anvisierten Kompetenzgewinn während einer Veranstaltung kritisch hinterfragen.
- Die anvisierten Kompetenzen konkret auf Handeln und dessen Bedeutung für Dritte formulieren, z.B. „die Studierenden können wichtige Literatur zu einem Problem / einer Fragestellung recherchieren und das Ergebnis einer Arbeitsgruppe in angemessener Form präsentieren“ oder „die Studierenden können einen Text auf eine Ziel- oder Fragestellung hin analysieren und für eine Zielgruppe oder Diskussionssituation präsentieren“.
- Die Ziel-Kompetenzen eng an explizit benannte hochschuldidaktische Methoden koppeln und auf angemessene und realisierbare Veranstaltungsformate achten.
- Die Prüfungsformen passend zu den Zielkompetenzen und Lernzielen sowie den ausgewählten hochschuldidaktischen Methoden und Veranstaltungsformaten auswählen.
- Frühzeitig an mögliche Schwierigkeiten bei der Bewertung und Korrektur der Prüfungsleistungen denken und folgende Fragen beantworten:
- Welche Erfahrungen habe ich bei der Bewertung und Korrektur der anvisierten Prüfungsform?
- Gibt es Beurteilungsschemata, die bei der Bewertung und Korrektur helfen können?
- In welcher Form sollen die Bewertung und die Korrektur den Studierenden mitgeteilt werden und welche Funktion sollen die Prüfungen erfüllen? Handelt es sich um summative oder formative Prüfungen? Soll sich eine weitergehende Beratung anschließen?
Praxisbeispiele für Forschendes Lernen
Seit Anfang 2010 fördert das Rektorat der Ruhr-Universität Bochum das interne Programm „Forschendes Lernen“, die das Ziel der Forschenden Lehre vorbildlich umsetzen. Drei der bisherigen Projekte – PhiloKompakt, ViChemLab und die GeoLoge – stellen wir Ihnen in dieser Rubrik vor.
Praxisbeispiel: ViChemLab
ViChemLab – Was ist das?
Das ViChemLab „Virtual Chemical Laboratory“ ist eine internetfähige Anwendung, welche eine reale technische Versuchsanlage der Umwelt- und Verfahrenstechnik, detailliert simuliert. Wesentliche Einflussparameter des Anlagenbetriebs, wie Gas- und Flüssigkeitsvolumenströme können gemäß dem wirklichen Anlagenbetrieb variiert und dadurch Versuchsergebnisse, wie z. B. der Druckverlust, virtuell produziert werden. Die Studierenden führen eigenständig Versuchsreihen vom Heim-PC-Arbeitsplatz durch und werten diese gemäß wissenschaftlichen Methoden und Ansprüchen aus.Thema der Veranstaltung:
Technische Studiengänge wie das Maschinenbauwesen bemühen sich darum, neben der Vermittlung wissenschaftlicher Hintergründe, die Studierenden auf die stark praktisch orientierte Ausrichtung ihres späteren Berufs vorzubereiten. Zu den Aufgaben typischer Berufe, die AbsolventInnen später ausüben, gehören einerseits die Planung und Durchführung von Experimenten im Labor und an Anlagen, die dem großtechnischen Maßstab nahe kommen, als auch die Auswertung mit wissensbasierten Schlussfolgerungen auf Grundlage der produzierten Versuchsergebnisse. Deshalb sieht der Studienverlaufsplan einige sog. Fachlabore vor, in denen praktische Erfahrung an wissenschaftlichen Versuchsanlagen und wissenschaftliches Vorgehen vermittelt wird. Die erste konkrete Versuchsanlage, die für das ViChemLab abgebildet wurde, ist eine sog. Absorptionskolonne. Im Wesentlichen besteht diese Anlage aus einem aufrecht stehenden hohlen Zylinder, in welchem ein Gas und eine Flüssigkeit in Kontakt gebracht werden. Eine typische Anwendung solcher Anlagen besteht in der Abtrennung bestimmter Komponenten, z. B. Schadstoffe in Abgasen, aus einem Gasstrom. Das Verfahren wird daher auch als „Gaswäsche“ bezeichnet. Studienbegleitende Fachlaborversuche, wie sie bspw. an einer solchen Anlage üblich sind, sind so konzipiert, dass sie mindestens einige Stunden, teilweise einen ganzen Tag füllen. Somit stehen VersuchsbetreuerInnen und Studierenden viel Zeit für Diskussion und Fragen zur Verfügung und Messreihen können umfangreich gestaltet bzw. bei Bedarf auch reproduziert werden. Bedingt durch diese Ausführlichkeit ist die Anzahl solcher im Studienverlaufsplan vorgesehener Fachlabore jedoch begrenzt. Die Idee des ViChemLabs wird dadurch motiviert, dass Fachlabore von Seiten der Lehrenden und der Lernenden als intensive Lernerfahrung hoch geschätzt werden und deswegen eine stärkere Präsenz von diesen praktisch experimentellen Lehrveranstaltungen im Studium gewünscht wird. Das ViChemLab, bietet sich hier an, um Fachlabore um virtuelle, aber realitätsgetreue Versuche zu ergänzen und die Lernerfahrungen der Studierenden mit Versuchsplanung- und Durchführung sowie Auswertung umfangreicher zu gestalten.Ablauf
Analog zur Vorbereitung der Studierenden auf einen Fachlaborversuch steht ein Versuchsskript zur Verfügung, welches eine Einführung, die ausführliche Beschreibung des Versuchs und die thematische Einordnung in die von den Studierenden gelernten Studienfächer umfasst. Weiterhin wird eine Anleitung zum Umgang mit der Anwendung ViChemLab (Login, Internetadresse, Bedienung der Umgebung) und zur vorgesehenen Durchführung des Versuchs gegeben. Auch die eigenständige Versuchsplanung seitens der Studierenden im Vorfeld der eigentlichen Durchführung soll Teil der Leistung sein. Dies beinhaltet üblicherweise die Planung der Messreihen, in diesem Beispiel Vorüberlegungen dazu, welche Gasströme und welche Flüssigkeitsströme vermessen werden müssen, um die Aufgabenstellung des Fachlabors zu erfüllen. Nach den Versuchen wenden die Studierenden ihr in Lehrveranstaltungen und durch Studium des Versuchsskripts erworbenes Wissen an, um die produzierten Messergebnisse auszuwerten und Aussagen über deren Qualität zu formulieren. Denn zwecks realitätsgetreuer Abbildung der Anlage können auch in dem virtuellen Versuch Messfehler und -Schwankungen auftreten. Gemäß wissenschaftlichem Vorgehen gehört eine angemessene Dokumentation und Präsentation sowohl des Versuchsablaufs als auch der Ergebnisse mit deren Bewertung in einem Bericht, z. B. in Form eines Protokolls ggf. mit mündlicher Präsentation, zum vollständigen Umfang der Lernerfahrung.Aufgaben der Studierenden und der Lehrenden
Die Studierenden bereiten sich auf die Durchführung des Versuchs an der virtuellen Versuchsanlage mittels des zur Verfügung gestellten Versuchsskripts vor. Durch die Vorbereitung wird die Fähigkeit vermittelt, eine systematische Versuchsdurchführung eigenständig zu planen. Die Versuche sind dann so gestaltet, dass bei systematischer Variation der wesentlichen Betriebsparameter der Versuchsanlage (Druck, Temperatur, Massenströme u. a.) die im Versuchsskript angekündigten Phänomene im Sinne des forschenden Lernens beobachtet werden. Messfehler und Ausreißer, die von Seiten der Lehrenden in der Anwendung vorgesehen werden können, sollen von den Studierenden auf Grund des Vorwissens als solche erkannt und ggf. durch erneute Messungen korrigiert werden. Die Entwicklung des virtuellen Versuchs muss von fachkundigen Lehrenden zumindest betreut werden, wobei außerdem hohe Anforderung hinsichtlich der Programmierung und Animation der Anwendung bestehen. Ziel ist es dabei stets, den simulierten Versuch möglichst realitätsgetreu abzubilden, dabei jedoch die Bedienung der Versuchsanlage mitsamt den zu variierenden Betriebsparametern (Einstellung der Gas- und Flüssigkeitsströme) auf ein übersichtliches Maß zu reduzieren. Die unpersönliche Vorbereitung auf den Versuch mittels des Versuchsskripts muss umfangreich und vollständig ausfallen, so dass die Versuchsdurchführung und die anschließende Auswertung eigenständig und ohne Präsenz eines Betreuers ablaufen können. Anweisungen und Aufgabenstellungen müssen eindeutig und verständlich formuliert sein.Lernziele und Überprüfung der Lernerfolge
Eine Nachbearbeitung des abgearbeiteten Versuchsumfangs schließt die erbrachte Leistung in der virtuellen Umgebung ab. Dazu gehört für gewöhnlich eine Dokumentation der Vorgehensweise sowohl in Vorbereitung als auch Durchführung der Versuche. Auch die Auswertemethodik und abgeleitete Ergebnisse sollen präsentiert werden. Dies kann in Form eines zu verfassenden Berichts oder einer mündlichen Präsentation bzw. einer Kombination der beiden geschehen. Die Lernziele eigenständige Vorbereitung, Planung der Messreihen, Durchführung der Versuche, Auswertung und wissensbasierte Bewertung der Ergebnisse können so überprüft werden, insofern sie in der Vorbereitung den Studierenden als solche verständlich gemacht werden.GeoLoge – die Geographische Open-Access Zeitschrift
Ziele der GeoLoge:
Die GeoLoge verfolgt das Ziel der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Fachartikeln von Studierenden und Absolvent/inn/en auf hohem Niveau. Die Qualität der Artikel wird durch ein Peer-Review-Verfahren sichergestellt. Damit bekommen hervorragende Bachelor- und Masterarbeiten eine ihnen gebührende Aufmerksamkeit weit über die eigene Universität hinaus. Weiterhin verfolgt das Projekt das Ziel, Schüler/innen die Vielfalt der Geographie entdecken zu lassen und dabei Interesse für ein Studium der Geographie zu wecken. Die Förderung der Redaktionsmitglieder durch ihre redaktionellen Aufgaben ist zwar kein Kernziel des Projektes, jedoch eine sehr gute Kenntniserweiterung. Sie sammeln Erfahrungen von der Autorensuche über die Gutachterphase bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit. Wir möchten Studierende, Absolvent/inn/en und Lehrende aller Geowissenschaften und insbesondere der Geographie als Gutachter/innen für die Fachartikel, als Autoren für Rezensionen und natürlich als Leser/innen für die GeoLoge gewinnen. Die Zielgruppen sind Bachelor-/Masterstudierende und Absolvent/inn/en, die ihre Abschlussarbeit in Form eines Fachartikels in der GeoLoge veröffentlichen, Schüler/innen, bei denen Interesse an der Wissenschaft und am Studienfach Geographie geweckt bzw. verstetigt werden soll und Nachwuchswissenschaftler/innen und Lehrende aller Geowissenschaften als Gutachter/innen der Fachartikel, Autor/inn/en von Rezensionen und natürlich Leser/innen der GeoLoge. Die Haupt-Zielgruppe der GeoLoge sind dabei die Bachelor- und Master-Studierenden der Geographie der Ruhr-Universität Bochum. Es dürfen aber auch Absolvent/inn/en und Nachwuchswissenschaftler/innen Artikel und Rezensionen einreichen. Voraussetzung für die Einreichung eines Artikels ist die Erfüllung der Autorenrichtlinien und Artikelvoraussetzungen (siehe Homepage). Auch Studierende und Nachwuchswissenschaftler/innen anderer geographischer Institute und thematisch benachbarter Fächer können in der GeoLoge veröffentlichen. Die internationale Vernetzung ist in Planung. Wir motivieren die potentiellen Autor/inn/en, auf Englisch zu publizieren. Dafür werden auch die Autorenrichtlinien und Artikelvoraussetzungen auf Englisch vorbereitet.GeoLoge und Forschendes Lernen
Der Schwerpunkt der GeoLoge in Bezug auf das Rektoratsprogramm „Forschendes Lehren“ liegt in der unterstützenden Wirkung für das wissenschaftliche Arbeiten. Auch in der Geographie reichen die Kapazitäten für das Üben des wissenschaftlichen Schreibens und Denkens oft nicht aus. Die GeoLoge bietet hier eine wunderbare Ergänzung des vorhanden Lehrplans. Gerade im Übergang Bachelor-Master wird oft klar, dass die Kenntnisse zum wissenschaftlichen Schreiben nicht ausreichend vertieft wurden und verbesserungswürdig sind. Hier bietet die GeoLoge, z.B. durch Fachartikel über abgeschlossene Bachelorarbeiten und den damit verbundenen Forschungsprojekten, die Erlangung der oben genannten Kompetenzen. Somit füllt die GeoLoge eine leider oft große Lücke in den Voraussetzungen für das anstehende Masterstudium. Gleiches gilt für Masterarbeiten und Forschungsprojekte innerhalb des Masterstudiums. Hier können die erlangten Kenntnisse vor dem Übergang in die freie Wirtschaft oder in die weiterführende wissenschaftliche Karriere ergänzt und verbessert werden. Durch die Online-Veröffentlichung der GeoLoge und die Verknüpfung auf der Institutshomepage bedient sie ebenfalls die Vernetzung mit Geographie-interessierten Schüler/inne/n. Diese können durch die Inhalte der Online-Zeitung ein erstes Bild über Forschungsprojekte und Veröffentlichungen in der Geographie erlangen. Nicht zuletzt durch die zeitnah geplante Verlinkung mit der neu erstellten „Schülerhomepage“ des Geographischen Institutes besteht dann die direkte Vernetzung mit dem Baustein „Forschung erfahren“ (www.geographie-studium.rub.de). Auch bei den Schulbesuchen, in denen das Geographische Institut Schüler/innen der umliegenden Schulen über das Geographiestudium in Bochum informiert, fand auch bereits zur GeoLoge ein Informationsaustausch statt.Praxisbeispiel: PhiloKompakt
Kurzbeschreibung
PhiloKompakt beschreitet neue Wege in der philosophischen Lehre: Fortgeschrittene Studierende der Bochumer Philosophie planen – beraten durch Mentoren aus dem Kreis der Lehrenden des Instituts – mehrtägige Kompaktveranstaltungen zu aktuellen und interdisziplinären Themen der philosophischen Forschung. Die Veranstaltungen werden unter der Mitwirkung von auswärtigen, in den betreffenden Forschungsschwerpunkten ausgewiesenen PhilosophInnen durchgeführt. Neben der wesentlichen Bestimmung der Themen und der beteiligten Gäste nehmen die Studierenden in PhiloKompakt auch die Möglichkeit wahr, gemeinsam mit den Lehrenden neue Formen der Vermittlung (z. B. Streitgespräch, Interview, Poster-Präsentation) an aktuellen und forschungsrelevanten Themen der Philosophie zu erproben.Motivation
Das forschende Gespräch, der kritische Dialog, die argumentative Auseinandersetzung gehören seit ihren Anfängen wesentlich zur Philosophie. Im Austausch des Lehrers mit seinen Schülern (Sokrates), in der Gemeinschaft der Akademie (Platon) und auch in der Einheit von Forschung und Lehre (Humboldt) wird philosophische Forschung lebendig – wird nicht ‚tote‘ Philosophie gelernt, sondern das Philosophieren selbst (Kant). PhiloKompakt erfüllt diese Idee mit neuem Leben: In Verbindung mit Hochschullehrern des Instituts soll das ‚Pilotprojekt’ die enge Verbindung von Forschung und Lehre im Fach Philosophie stärken und sie in neuen Formen der Lehre beleben und intensivieren. Die Studierenden nehmen in PhiloKompakt die Möglichkeit wahr, an aktuellen Themen der Philosophie den forschenden philosophischen Dialog und die kontroverse Diskussion, teilzunehmen. Diese leitende Motivation zielt ab auf eine extensivere und intensivere Ausschöpfung jenes Potenzials, das Philosophie als ‚dialogischem Prozess’ seit je her inne wohnt: Tendenziell führen die Bedingungen des BA/MA-Studiums – curriculare Vorgaben, Kreditierungszwänge und Seminargrößen – zu einer Vernachlässigung des Dialog-Gedankens. PhiloKompakt steuert hier gegen und bietet gerade fortgeschrittenen Studierenden im BAStudium die Möglichkeit, das philosophische Gespräch aktiv und kreativ zu gestalten: Die Inhalte der Veranstaltungen werden von ihnen gemeinsam mit Lehrenden des Instituts bestimmt, die jeweils geeigneten Formen der philosophischen Auseinandersetzung werden gemeinsam festgelegt. Nicht nur in der durchgehenden Befolgung dieses Prinzips bei der Planung, sondern auch die maßgebliche Mitgestaltung bei der Durchführung der Veranstaltungen stellen innovative Elemente von PhiloKompakt dar, von denen die künftige, ‚reguläre’ philosophische Lehre profitieren wird. Diese Motivation bestimmt den offenen und kooperativen Ansatz von PhiloKompakt: Geplant sind philosophische Workshops zu unterschiedlichen aktuellen und interdisziplinär orientierten Themen der theoretischen und praktischen Philosophie. Diese finden außerhalb der Vorlesungszeit statt, damit Interessierten ohne Einschränkungen durch den engen ‚Semesterplan’ die Teilnahme ermöglicht wird.Struktur
Bei der Planung und der Durchführung jedes Workshops wirkt ein Mentor (Lehrender) aus dem Institut für Philosophie beratend mit: Inhaltliche Planung, Auswahl von Gästen und Vorbereitung der Veranstaltungen liegen wesentlich in der Hand der Studierenden. Strukturelle ‚Eckpunkte’ von PhiloKompakt sind weiterhin:- Vorbereitung:
- Jeder Workshop benötigt einen inhaltlichen und organisatorischen Vorlauf, zu dem jeweils eine Planungsgruppe unter Beteiligung fortgeschrittener Studierender und eines Mentors Planungsaufgaben übernimmt (Konkretisierung und Aufteilung der Themen; Festlegung der auswärtigen Teilnehmer, Ablauf des Workshops etc.);
- Wechselnde Veranstaltungsformen:
- Kurzreferate (‚Postersessions‘), Seminargespräche, ‚Interviews‘ mit den externen Gästen, ‚Poster-Sessions’, Streitgespräche zu ausgewählten Schwerpunktthemen etc. wechseln sich ab und werden von Fall zu Fall geeignet kombiniert;
- Moderation:
- Sie wird durch die Studierenden selber erfolgen; der zugeordnete Mentor ist ‚nur‘ beratender Workshop-Teilnehmer;
- Offenheit:
- Die Workshops richten sich zwar vornehmlich an fortgeschrittene Studierende des Instituts, können aber (nach Anmeldung) auch von interessierten Studierenden anderer Disziplinen und Universitäten besucht werden;
- Kreditierung:
- Studierenden der RUB und der ‚Ruhr-Allianz‘ wird die erfolgreiche Teilnahme kreditiert. BA-Studierende, die an der inhaltlichen Planung und Durchführung der Workshops aktiv beteiligt sind, bekommen auch diese (zusätzliche) Arbeiten angerechnet.
Zielsetzungen
PhiloKompakt dient nicht der Erreichung eines einzelnen Ziels, sondern verfolgt mehrere Zielsetzungen, die auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sind und sich komplementär zueinander verhalten – Letzteres nach Auffassung der Antragsgruppe in einer geradezu idealen Weise. Es handelt sich im Einzelnen um Zielsetzungen in Bezug auf die Studierenden der Philosophie: Das wichtigste Ziel ist es, aktuelle philosophische Forschung mit stark interdisziplinären Bezügen in einem intensiven und lebendigen philosophischen Dialog zu vermitteln. Eng verbunden damit sind folgende Ziele:- Lehrintensivierung:
- Das Lehrangebot der BA-Phase wird durch die Workshops in innovativer Weise ausgebaut und inhaltlich um attraktive und aktuelle Angebote bereichert;
- Anregungsfunktion:
- Idealerweise lenkt die Teilnahme auch auf Themen für Abschlussarbeiten, ggf. auch für spätere Dissertationsprojekte;
- Forschungskontakte:
- Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Workshops gewinnen neue Kontakte, die für die akademische Entwicklung und den weiteren Berufsweg hilfreich sind;
- Öffnung:
- Zwischen den universitären Lehrformen und forschungsbezogener Kommunikation (Fachtagungen, Forschungskolloquien etc.) klafft gewöhnlich eine Lücke. Workshops mit auswärtiger Beteiligung dienen dazu, diese Lücke zu schließen und auf einem mittleren, ‚studierendenadäquaten’ Niveau Lehre in einer Form anzubieten, die Elemente forschungsbezogener Veranstaltungen integriert.
- Organisationskompetenz:
- Die Einbindung in Planung und Durchführung der Workshops vermittelt Inhalte, aber auch Organisationstechniken und -fähigkeiten, die im ‚konventionellen’ Philosophiestudium kein eigenes Ziel sein können, aber für die berufliche Zukunft wichtig sind.
Inhalte
Die Festlegung der jeweiligen Themen wird ganz wesentlich von den Interessen der Studierenden bestimmt, hat aber auch darauf Rücksicht zu nehmen, dass eine hinreichende fachwissenschaftliche Unterstützung durch das Institut gewährleistet sein sollte. Die Workshops bilden somit auch einen Teil des Forschungsspektrums des Instituts für Philosophie ab. Auswahlkriterien sind:- Forschungsorientierung:
- Die Veranstaltungen sollen einen Einblick in die philosophische Forschung geben und hinreichend über diese Forschung orientieren. Insbesondere sollen Forschungsprofile erstellt werden, in denen die Forschungslandschaft ‚topographisch‘ dargestellt wird: Wer forscht? Wo wird geforscht? Wie wird geforscht? Was sind die Ziele, was die eingesetzten Methoden?
- Aktualität:
- Die Themen sollen in der aktuellen philosophischen Forschung präsent sein, d. h. es werden sowohl bei systematischen Themen als auch bei historischen Themen – die bei einer Verstetigung von PhiloKompakt selbstverständlich auch zum Tragen kommen werden – starke Anknüpfungsmöglichkeiten an die gegenwärtige philosophische Diskussion gegeben sein.
- Vernetzung:
- Die Themen und die auswärtigen Philosophen, die diese vertreten, sollen so ausgewählt werden, dass die Studierenden ein repräsentatives Bild netzwerkorientierte Forschens bekommen;
- Interdisziplinarität:
- Die Potentiale der Philosophie zur Beförderung interdisziplinärer Dialoge sollen exemplarisch sichtbar gemacht werden, d. h. die enge Verbindung von Philosophie und Einzelwissenschaften soll sich in der Themenauswahl widerspiegeln. Diese Offenheit der Philosophie darf allerdings nicht erkauft werden durch einen Verlust an
- Fachidentität:
- Auch und gerade bei interdisziplinären ‚Querschnittsproblemen‘ soll stets die Frage nach den spezifisch philosophischen Problemlösungspotentialen präsent sein. Die Philosophie ist keine ‚Hilfsdisziplin’ anderer Wissenschaften.
Durchführungsbeispiele für Workshops:
- W 1:
- Risiko und Verantwortung: Ethik der Finanzmärkte in der aktuellen Diskussion
- W 2:
- Grundlagenwissenschaften versus Verwertungswissenschaften? Wissenschaftssystem und Universität unter ‚Anwendungsdruck’
- W 3:
- Die Krise des Sozialstaats als ethisches Problem
- W 4:
- Gene, Organismen, Spezies. Biologische Konzepte in der Wissenschaftstheorie.
Literaturhinweise
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- Kompetenzen in großen Gruppen prüfen. Ein Beispiel der Schlüsselkompetenz „Präsentation“ an der FH-Bielefeld. In: Prüfungen auf die Agenda. Hochschuldidaktische Perspektiven auf Reformen im Prüfungswesen, hrsg. v. Sigrid Dany, Birgit Szczyrba und Johannes Wildt. Bielefeld: Bertelsmann Verlag, S. 253 – 271.
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- Forschendes Lernen an Hamburger Hochschulen - Ein Überblick über Potentiale, Schwierigkeiten und Gelingensbedingungen. In: L. Huber/J. Hellmer/F. Schneider (Hg.): Forschendes Lernen im Studium. Aktuelle Konzepte und Erfahrungen. Bielefeld: Universitätsverlag Webler, S. 200 – 223.
- Strategiepapier „Für eine Reform der Lehre in den Hochschulen“. Beschluss der HRK, April 2008 (Typoskr.)
- Forschendes Lehren und Lernen - eine aktuelle Notwendigkeit. In: Das Hochschulwesen, 46. Jg., Heft 1, S. 3 – 10.
- Warum Forschendes Lernen nötig und möglich ist. In: Forschendes Lernen im Studium. Aktuelle Konzepte und Erfahrungen, hrsg. v. Ludwig Huber, Julia Hellmer und Friederike Schneider. Bielefeld: Universitätsverlag Webler, 9 – 36.
- „Kompetenzen“ prüfen? In: Prüfungen auf die Agenda. Hochschuldidaktische Perspektiven auf Reformen im Prüfungswesen, V. Sigrid Dany, Birgit Szczyrba und Johannes Wildt. Bielefeld: Bertelsmann Verlag, S. 12 – 26.
- Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin (1809/10). In: E. Anrich (Hg.): Die Idee der deutschen Universität. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, S. 375 – 386.
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- Kompetenzen in Lehrveranstaltungen und Prüfungen. Handreichung für Lehrende. Mainz (Zentrum für Qualitätssicherung und -entwicklung) (=Mainzer Beiträge zur Hochschulentwicklung 16)
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- Auf dem Weg zu einer neuen Kultur des Lehrens und Lernens. In G. Dörr & K. Jüngst (Hrsg.). Lernen mit Medien. Ergebnisse und Perspektiven zu medial vermittelten Lehr-Lernprozessen. Weinheim: Juventa.
- Schlüsselqualifikationen an deutschen Hochschulen. Aktueller Stand der Diskussion. Neuwied: Luchterhand.
- Teilweise neblig, überwiegend bewölkt: Ein Wetterbericht zur deutschen Hochschulsteuerung. In B.M. Kehm (Hg.): Hochschule im Wandel. Die Universität als Forschungsgegenstand. Frankfurt: Campus, S. 194 – 206.
- Eulen nach Athen! Forschendes Lernen als Bildungsprinzip. In: Neues Handbuch Hochschullehre, hrsg. v. Brigitte Berendt. Berlin (Raabe), A 3.6, S. 1 – 14.
- Wie praktisch ist die Universität? Vom situierten zum Forschenden Lernen mit digitalen Medien. In: L. Huber/J. Hellmer/F. Schneider (Hg.): Forschendes Lernen im Studium. Aktuelle Konzepte und Erfahrungen. Bielefeld: Universitätsverlag Webler, S. 36 – 54.
- Kompetenzorientiert prüfen – Baustein eines gelungenen Paradigmenwechsels. In: Prüfungen auf die Agenda. Hochschuldidaktische Perspektiven auf Reformen im Prüfungswesen, hrsg. v. Sigrid Dany, Birgit Szczyrba und Johannes Wildt. Bielefeld: Bertelsmann Verlag, S. 45 – 57.
- Prüfungen kompetenzorientiert gestalten. In: Wissen, was zählt. Ideen für die Lehre, hrsg. v. der Stabstelle Interne Fortbildung und Beratung (IFB) der Ruhr-Universität Bochum (Hrsg.). Bochum (IFB, Ruhr-Universität)
- Gelegentliche Gedanken über Universitäten im deutschen Sinn (1808). E. Anrich (Hg.): Die Idee der deutschen Universität. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, S. 219 – 308.
- Forschendes Lernen und Kompetenzentwicklung. In: L.Huber/J.Hellmer/F.Schneider (Hg.): Forschendes Lernen im Studium. Aktuelle Konzepte und Erfahrungen. Bielefeld: Universitätsverlag Webler, S. 53 – 69.
- Beyond IQ: A Triarchic Theory of Human Intelligence. New York: Cambridge University Press.
- Verknüpfung von Lehre und Forschung: Eine universitäre Tradition als didaktische Herausforderung. In: Beiträge zur Lehrerbildung 23. Jg., Heft 3, S. 339 – 348.
- Leistungsnachweise in modularisierten Studiengängen Zürich, Online verfügbar unter: http://www.hochschuldidaktik.uzh.ch/handlungsfelder/leistungsnachweise/leistungsnachweise/modul/Leistungsnachweise_Juli_07.pdf [Stand: 11.12.2011, Version: März 2007].
- Forschendes Lernen. Lernen im Format der Forschung. In: Journal Hochschuldidaktik, 20., Heft 2, S. 4 – 6, Online verfügbar unter: http://www.hdz.tu-dortmund.de/fileadmin/JournalHD/2009_2/2009_2_Wildt.pdf [Stand: 27.10.2011].
- Wer sagt, was gute Lehre ist? Evidenzbasiertes Lehren und Lernen. In: Das Hochschulwesen, 55. Jg., Heft 4, S. 102 – 109.
- Empfehlungen zur Einführung neuer Studienstrukturen und -abschlüsse (Baccalaureus/Bachelor - Magister/Master) in Deutschland. Berlin.
- Empfehlungen zur zukünftigen Struktur der Lehrerausbildung. Berlin.
Internet-Quellen zum Beitrag „Planung“
- http://books.google.de/books?id=CP4Kk-eFWz4C&pg=PA157&lpg=PA157&dq=Lernen+mit+Medien.+Ergebnisse+und+Perspektiven+zu+medial+vermittelten+Lehr-Lernprozessen.&source=bl&ots=do8sv4yti7&sig=XJE7oLLLQJcVH4qvDTEjWiad1KY&hl=de&ei=kmu-Tr68KMbqOeLt_cMB&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=8&ved=0CF0Q6AEwBw#v=onepage&q=situiert&f=false
- http://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=jmM7AAAAIAAJ&oi=fnd&pg=PR11&dq=Sternberg,+R.+J.+1985.+Beyond+IQ:+A+Triarchic+Theory+of+Human+Intelligence%0C9+New+York:+Cambridge+University+Press.&ots=aptz36uysH&sig=pBggI9pP2r2GTZXDbziXCNSDQPw#v=onepage&q&f=false
- http://mlecture.uni-bremen.de/ml/index.php?option=com_content&view=article&id=167&template=ml2
- http://www.hdz.tu-dortmund.de/fileadmin/Tagungen/doss/Panel/14-Duernberger-Hofhues_Vortrag_fertig.pdf
- http://www.afh.uzh.ch/hochschuldidaktikaz/A-Z_Forschendes_Lernen.pdf
- http://www.ruhr-uni-bochum.de/lehreladen/lernziele_operationalisierung.html
- http://www.itas.fzk.de/tatup/052/eule05a.htm