Didaktische Visualisierung
Wollen Sie in Ihrer Lehre …
… den visuellen Lernkanal nutzen, um den größten Anteil Ihrer Lerngruppe zu erreichen?
… komplexe Themen mit visuellen Ankern gehirngerecht und nachhaltig vermitteln?
… mehr Originalität in Ihre Lehre bringen und die Motivation der Studierenden steigern?
Oder verfügen Sie bereits über eine Sammlung an Visualisierungen (Schemata, Abläufe, Tabellen, Abbildungen …), die Sie aktualisieren und gestalterisch optimieren möchten?
Es lohnt sich, eigene Visualisierungen anzufertigen! Denn sie tragen Ihre persönliche Handschrift und wecken das Interesse der Lerngruppe selbst für schwierige oder unbeliebte Themen.
Didaktisches Visualisieren bietet Ihnen eine unendliche Vielfalt an Möglichkeiten, …
… Lehrstoff zu akzentuieren,
… komplexe Inhalte reduziert und verständlich zu vermitteln,
… visuelle Themenanker ins Langzeitgedächtnis der Lernenden zu setzen,
… eine motivierende Lernatmosphäre zu schaffen,
… Ihre Lehre mit mehr Lebendigkeit und Originalität anzureichern.
Auch wer sich selbst bisher als zeichnerisch unsicher und wenig kreativ wahrgenommen hat, kann sehr unkompliziert eigene Visualisierungen anfertigen und wird somit seine Selbstwahrnehmung revidieren müssen, wie des Weiteren noch deutlich wird. Visualisierung ist immer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, also seien Sie herzlich eingeladen, neue Seiten der Kreativität an sich kennen zu lernen und in Ihre Lehre einfließen zu lassen!
Thesen
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Eine zielgerichtet eingesetzte Visualisierung sagt mehr als mancher lange Vortrag.
Didaktische Visualisierungen bieten für die Lehrgestaltung eine wertvolle Möglichkeit der Wissensvermittlung und aktivitätsförderliche Zeitersparnis, da in ihnen über eine prägnante und reduzierte Darstellungsweise komplexe Lehr-Lerninhalte reduziert präsentiert werden können, die sonst längere Vorträge der Lehrenden beanspruchen.
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Der größte Anteil der Lerngruppe profitiert von visuellen Lernangeboten.
Der größte Anteil der Lernenden Ihrer vermutlich heterogenen Lerngruppe ist voraussichtlich dem auditiv-visuellen Lerntypus zuzuordnen, nimmt man eine derartige Klassifikation nach Lerntypen (vgl. Honey/ Mumford, 1992 und Jonassen/ Grabowski, 1993) vor. Daher ist auch anzunehmen, dass man diesen größten Anteil der Lernenden über den visuellen Lernkanal, gekoppelt mit auditiven Reizen (z. B. Vortrag, Lehrgespräch, Einspielungen) erreichen sollte. Da man als Lehrende*r zudem den Anreiz verspürt, die gesamte Lerngruppe mit den Lehr-Lerninhalten zu erreichen, bietet sich an, visuelle Mittel und Methoden in Betracht zu ziehen, wenn eine lerntypenadäquate Ansprache zur Vermittlung von Wissen und Kompetenzen erfolgen soll. Hinreichend Gründe, sich der didaktischen Visualisierung zuzuwenden.
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Mit didaktischen Visualisierungen lassen sich komplexeste Verfahren, Systeme, Abläufe, Strategien, etc. auf einfache Weise prägnant veranschaulichen.
In der Lernpsychologie werden interne und externe Bilder differenziert. Beide Bilder sind, wie Gebhard es ausdrückt, „wichtige kognitive Werkzeuge beim Wissenserwerb. Erfahrungen mit der Welt können nämlich in Form von internen Bildern gespeichert werden. Externe Bilder bzw. Erfahrungen, die das Subjekt in Interaktion mit der Umwelt sammelt, werden in interne Bilder und mentale Konstrukte überführt“ (Gebhard, 2007, 98).
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Der Bildüberlegenheitseffekt von Visualisierungen bietet in der Lehre Potenzial zur langfristigen kognitiven Verankerung von Wissensinhalten.
Ein weiterer Vorteil, den didaktisch eingesetzte Visualisierungen innerhalb der Lehre bieten, ergibt sich aus dem Bildüberlegenheitseffekt (vgl. Hoffmann/ Engelkamp, 2013, 177 ff.). Dieser beruht auf der dualen Encodierung von Begriffen (auditiv und visuell). Die Erinnerbarkeit von Bildern oder Begriffen, die mit einem Bild gekoppelt kognitiv verarbeitet werden, ist als nachhaltiger und langfristiger einzuschätzen, wie bereits Studien von Paivio belegen (Paivio, 1978).
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Visualisierungsaufgaben bieten enormes Potenzial zur Initiierung selbstgesteuerter Lernprozesse der Lerngruppe.
Darüber hinaus bietet sich didaktische Visualisierung an, um diese internen Bilder der Lerngruppe zu strukturieren sowie die Lernprozesse sichtbar zu machen, um selbstgesteuerte Lernprozesse zu initiieren und zu aktivieren. „Das Auslagern mentaler Prozesse in eine externe Darstellung mit dem Ziel, kognitive Last von Lernenden zu nehmen, wird zum Teil auch als Supplantation (Anm. d. Aut.: Supplanation = Ersetzung) bezeichnet (vgl. Vogel, 2006, 60)“ (Aus: Bauer, 2015). Die Schaffung visueller Repräsentanzen von Wissensinhalten und -strukturen verstärken die Lernwirksamkeit.
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Visualisierungskompetenz stellt einen an Wichtigkeit zunehmenden Employability-Faktor von Hochschulabsolvent*innen dar.
Hochschulabsolventinnen und -absolventen bedürfen innerhalb ihrer späteren beruflichen Aktivitäten vermehrt der Kompetenz, Inhalte zielgerichtet und zielgruppenspezifisch aufzubereiten und zu visualisieren, seien dies Diagramme, Tabellen, Verlaufsplanungen oder Mindmaps. Innerhalb der praxisrelevanten Kompetenzbereiche sollte bereits während des Studiums die Visualisierungskompetenz mittels konkreter Anwendungsaufgaben fachbezogen geschärft werden.
Visuelle Kommunikation – einige Grundlagen
Es ist anzunehmen, dass bereits seit Beginn der menschlichen Kommunikation auch visuelle Zeichen genutzt wurden (z. B. Wegmarkierungen, Richtungsweiser, Symbole der Stammeszugehörigkeit). Da visuelle Zeichen ein Mittel der Kommunikation darstellen, Botschaften, Inhalte und Informationen zu Gegenständlichem übermitteln und sich mit der menschlichen Kultur entwickelten, enthält die visuelle Kommunikation ein gewachsenes, interkulturell stark ausdifferenziertes und komplexes System an Zeichen, Symbolen, ikonografischen Abbildern, das durch die entsprechenden kulturellen Gruppen (Regionalkulturen, Berufsbranchen, Organisationale und gesellschaftliche Strukturen) in Form von visuellen Vokabularien genutzt wird.
Diesen Zeichen, Symbolen und ikonografischen Abbildern kommen zwei Funktionen innerhalb der Kommunikation zu (vgl. Peirce, 1991):
Repräsentationsfunktion
Ein Objekt wird durch Zeichen, Symbole und ikonografische Abbilder repräsentiert und kann in seiner Repräsentanz über visuelle Kommunikation übermittelt werden.
Erkenntnisfunktion
Zeichen, Symbole und ikonografische Abbilder sind die Grundlage jeder kognitiven Aktivität und ermöglichen Erkenntnis.
Beide Funktionen sind im Rahmen der didaktischen Visualisierung von Relevanz. Peirce klassifiziert darüber hinaus drei Kategorien von visuellen Zeichen (entnommen aus: Hoffmann, 2001, 12 ff.):
Indexalische Zeichen
Indexalische Zeichen (index lat. = Anzeiger, Anzeichen; auch verweisende oder natürliche Zeichen). Sie bekommen ihre Bedeutung durch einen realen oder kausalen Bezug zu dem Bezeichneten. Die Bedeutung wird durch Kontiguität, durch räumliches und zeitliches Beisammensein gestiftet. Beispiele: Rauch für Feuer; Fußspuren, (…).
Ikonische Zeichen
Ikonische Zeichen (eikon gr. = Abbild; auch abbildende Zeichen). Sie bekommen ihre Bedeutung über die Ähnlichkeit, d.h. sie haben mit dem Bezeichneten gewisse wahrnehmbare Eigenschaften gemeinsam. Beispiele: Alle Abbilder wie Fotos, Zeichnungen, Gemälde.
Symbolische Zeichen
Symbolische Zeichen (symbol gr. = Kennzeichen) sind willkürlich (= arbiträr) eingeführt. Die Bedeutung wird durch Konvention (lat. = Übereinkunft) gestiftet. Symbolische Zeichen müssen deshalb gelernt werden. Beispiele: einige Verkehrszeichen, mathematische Symbole, Noten.
Diese drei unterschiedlichen visuellen Zeichen werden in der visuellen Kommunikation gern auch miteinander kombiniert. Beispielsweise beruhen viele Verkehrszeichen auf derartigen Kombinationen. Das Verkehrszeichen „Vorsicht, Wild!“ besteht z. B. aus einem ikonischen Anteil (Darstellung eines springenden Hirsches) und einem symbolischen Anteil (dem roten Warndreieck). Derartige Kombinationen nennen sich hybride Piktogramme (vgl. ebenda).
Entwickeln Sie ihre eigenen Kombinationen und hybriden Piktogramme, die fachspezifische Botschaften und/oder Aussagen beinhalten und didaktisch in der Lehre einsetzbar sind.
Was ist didaktisches Visualisieren?
Eine kurze Definition:
Manuelle oder digitale Anfertigung und manueller oder digitaler Einsatz von visuell erfassbaren Abbildungen zu Lehrinhalten, um diese zielgruppenspezifisch und fokussiert auf didaktische Lernziele in den gesteuerten Lernprozess methodisch mit der Zielsetzung zu integrieren, einen Lernfortschritt innerhalb der Lerngruppe zu bewirken.
Oder einfacher: Sie visualisieren, sobald Sie einen Inhalt oder Gegenstand mehr oder weniger abstrakt visuell wiedergeben. Dieser Inhalt oder Gegenstand kann konkreter oder abstrakter Art sein. Ein Beispiel für einen konkreten Gegenstand wäre der Aufbau der Zwiebelschichten eines Zwiebelgewächses, Beispiel eines abstrakten Inhaltes wäre hingegen der Verlauf der französischen Revolution.
Ihre Visualisierung ist allerdings erst dann eine didaktische Visualisierung, wenn Sie sie unter didaktischen sowie methodischen Gesichtspunkten anfertigen und dann zielgerichtet einsetzen, um der Lerngruppe einen Lehr-Lerninhalt zu vermitteln. Es ist davon auszugehen, dass Sie als Lehrende*r und ehemalige*r Student*in bereits über ein breites Erfahrungswissen zur didaktischen Visualisierung verfügen, ohne dies bisher explizit als solches definiert zu haben. Denn jede*r Student/in ist während ihres/seines Studiums mit mehr oder weniger didaktisch eingesetzten fremden und auch eigenen Visualisierungen konfrontiert.
Didaktische Visualisierung in der Hochschullehre stellt einen Teilbereich der visuellen Kommunikation dar. Diese durchdringt jegliche Lebensbereiche.. Möchte man sie gezielt und wirksam in Lehr-Lernsettings einsetzen, ist ein Einblick in die Grundlagen der visuellen Kommunikation sehr hilfreich.
Didaktisches Potenzial, Einbindung und Reduktion
Truttmann bezieht sich auf Peirce` Funktionszuschreibung von visuellen Zeichen (Repräsentations- und Erkenntnisfunktion) und erweitert diese in Hinblick auf Lehre und didaktische Visualisierung in der Lehrgestaltung.
Er unterscheidet hierbei drei strategische Funktionen von Visualisierungen in der Lehre (vgl. Truttmann, vgl. Universität Zürich):
- Visualisierung als Lehrstrategie: mit Tabellen, Grafiken, Folien, Bildern usw.
- Visualisierung als Lernstrategie: visuelle Wahrnehmung, bildhaftes Denken, Lerntechniken.
- Visualisierung als kognitive Verarbeitungsstrategie: gedankliche Verarbeitung von visuellen Informationen.
Diese drei strategischen Funktionen sollten Sie berücksichtigen, wenn Sie das didaktische Potenzial der Visualisierung in der Lehre ausschöpfen möchten. Denn aus der jeweiligen Strategie, der fachlichen Spezifik und den inhaltlichen Charakteristika heraus ergeben sich für Lehrende vielfältige Einbindungsmöglichkeiten, um die didaktische Visualisierung mit Fokussierung auf Lernwirksamkeit zielgerichtet einzusetzen. Ist die strategische Ausrichtung geklärt, geht es in die konkrete Planung der didaktischen Visualisierung. Es lassen sich Gelingensfaktoren didaktischer Visualisierung identifizieren, die in die Planung einbezogen werden sollten und im kommenden Abschnitt kurz vorgestellt werden.
Gelingensfaktoren
Gelingende visuelle Kommunikation über didaktische Visualisierung in der Hochschullehre basiert auf der Berücksichtigung einiger Faktoren, die folgend näher erläutert werden:
Kohärenz
Kjär formuliert vier grundlegende Fragestellungen der visuellen Kommunikation in der Hochschullehre, die man als Lehrende*r bei der Erstellung von Visualisierungen bedenken sollte, um Inhalte zielgerichtet didaktisch zu visualisieren und eine Kohärenz zwischen Lerngruppe, Lehr-Lerninhalt, Botschaft und Form zu schaffen (vgl. Kjär, 2010, 45)
- Passt die Art der Gestaltung zum Thema, erkennt die Zielgruppe, dass sie gemeint ist? (Anm. d. Autorin: In dem Kontext dieses vorliegenden Artikels ist Zielgruppe mit Lerngruppe gleichgesetzt und bezieht sich diese Fragestellung auf deren spezifische Ansprache)
- Stimmen Wertigkeit und Gestaltung der Botschaft überein?
- Harmonieren Inhalt und äußere Form?
- Passt die Stimmung zur Botschaft?
Form follows Function Weniger ist bekanntlich mehr. Dies gilt auch für die Anfertigung didaktischer Visualisierungen. Überladene Darstellungen machen das enorme Potenzial, nämlich die Prägnanz, zunichte, die es in der Lehre zu nutzen gilt. Hier lässt sich nach dem Motto „Form follows Function“ aus dem Design vorgehen. Welche Darstellungsweise ist auf das Wesentliche reduziert, enthält die notwendigsten Informationen zur visuellen Erschließung des darzubietenden Lehr-Lerninhaltes und motiviert zum Lernen?
Wahl geeigneter visueller Formate und Medien
Soll es eine Tabelle sein, die innerhalb einer Präsentationsfolie Stück für Stück gemeinsam erarbeitet wird oder ist ein Balkendiagramm auf einem halb-abgedeckten Flipchart für das Thema geeigneter? Aus den oben benannten vier Fragestellungen zur Erfassung der Kohärenz ergeben sich Konsequenzen bezüglich der Format- und Medienwahl. Ist eine zum Lehr-Lerninhalt und zur Lerngruppe passende Visualisierung erstellt, kommt es nunmehr darauf an, diese mit einem geeigneten Medium, je nach didaktischer Vorüberlegung, zu präsentieren oder erarbeiten zu lassen. Eine Auswahl an Formaten findet sich unter dem Abschnitt Formate der Visualisierung.
Sinnvoller Einsatz
Soll Visualisierung eine Bereicherung der Lehrgestaltung sein, ist ihr sinnvoller Einsatz zu planen. Eine angemessene didaktische Einbindung der Visualisierung im Lehr-Lernsetting ist somit in der Hochschullehre der wichtigste Gelingensfaktor visueller Kommunikation über didaktische Visualisierung. Jede noch so raffiniert erstellte Visualisierung kann ihre Wirksamkeit kaum entfalten, wenn sie innerhalb des Lehrgeschehens keinen strategisch sinnvollen Einsatz erfährt.
Diese Einbindung erfolgt auf der methodischen Planungsebene. Die Beantwortung dieser Fragen unterstützt Sie bei der Planung::
- Welche Lernziele sollen mit der Visualisierung und dem Arbeitsauftrag verfolgt werden?
- Wann soll die Visualisierung erfolgen?
- Sollen Interaktionen und Lernaktivitäten aus ihr heraus in der Lerngruppe initiiert und gesteuert werden?
- Ist mit der Visualisierung ein Arbeitsauftrag verbunden? Welcher Art ist dieser Arbeitsauftrag?
- Wie gestaltet sich das methodische Setting?
Die Reflexion dieser Fragestellungen gewährleistet, dass die Visualisierung unter didaktischen Gesichtspunkten methodisch angemessen zum Einsatz gebracht wird (Handreichung).
Wie nachfolgende Überblickstabelle zu den Einsatzebenen der didaktischen Visualisierung deutlich macht, bieten sich differenzierte, aber auch zum Teil ebenenübergreifende Einsatzoptionen für den Lehrenden, die Studierenden und für das Lehrsetting:
Didaktische Einbindung
Wie können Visualisierungen didaktisch eingebunden werden? Hier zwei Beispiele zur Verdeutlichung der vielfältigen Möglichkeiten didaktischer Einbindung von Visualisierungen:
| Tafel-/Whiteboardbild, das gemeinsam mit den Studierenden erstellt wird, um einen komplexen Prozess abzubilden. Didaktische Zielsetzung: Vermittlung der Herausforderung, einen Prozess wissenschaftlich zu systematisieren und in seinen einzelnen Phasen zu erfassen, wissenschaftliches Visualisieren eines Prozesses. |
Strukturen nach Textlektüre zeichnen lassen, dann Abgleich der gezeichneten Strukturen im Plenum, um etwaige Fehlvarianten aufzudecken und zu diskutieren. Didaktische Zielsetzung: Entwicklung eines (selbst-)kritischen Umgangs mit textlich dargestellter Komplexität, Schärfung der wissenschaftlichen Lektüre-, Diskursfähigkeit und Visualisierungskompetenz. |
An diesen zwei Beispielen wird deutlich, wie vielfältig sich die Möglichkeiten der didaktischen Einbindung und des methodischen Einsatzes von Visualisierungen gestalten. Daher ist die Planung des Visualisierungseinsatzes von wesentlicher Bedeutung.
Eines ist bei der didaktischen Visualisierung unbedingt zu berücksichtigen:
Nicht visualisieren, um zu visualisieren!
Visualisierungen sind Träger des Lernprozesses, ihre Gestaltung und ihr Einsatz in der Hochschullehre obliegt dem Anspruch, das Lernen zu erleichtern, komplexe Inhalte gewissenhaft, aber reduziert auf die wesentlichen Kernaussagen, -inhalte oder Botschaften darzubieten und die Lerngruppe adäquat auf dem visuellen Lernkanal zu erreichen sowie ggf. zu einem selbstgesteuerten Lernprozess zu aktivieren.
Didaktische Funktionen von Visualisierungen
Es lassen sich unterschiedliche didaktische Funktionen der Visualisierungen in der Hochschullehre unterscheiden. Jede Visualisierung sollten Sie dahingehend auf ihre Funktion für die Lehre überprüfen. Fragen hierzu könnten u. a. sein, welche Funktion die Visualisierung im Lehrgeschehen übernimmt und warum an dieser Stelle, bzw. zu diesem Thema visualisiert werden soll.
Übersicht der unterschiedlichen didaktischen Funktionen von Visualisierungen
| Didaktische Funktion | Erläuterung |
| Darstellung | Visualisierungen dienen der Veranschaulichung des Lehrmaterials und ergänzen die Textinformation |
| Organisation | Visualisierungen mit organisierender Funktion veranschaulichen z. B. strukturelle Zusammenhänge oder zeitliche Abfolgen. |
| Interpretation | Interpretierende Visualisierungen sollen abstrakte Informationen vereinfachen, indem sie diese kontextualisieren oder als "advance organizer" fungieren. |
| Transformation | Visualisierungen mit transformierender Funktion sollen die Behaltensleistung erhöhen und als Merkhilfe im Sinne einer "visuellen Eselsbrücke" dienen. |
| Dekoration | Dekorative Visualisierungen sollen das Lernmaterial interessanter machen und die Lernenden motivieren. |
(entnommen aus: e-teaching.org)
Darüber hinaus ist auch die Vergabe von Visualisierungsaufträgen mit Interaktionsanspruch an die Lerngruppe als eine eigene Funktion zu erwähnen, da sie enormes Potenzial zur Initiierung selbstgesteuerter Lernprozesse bietet und, wie bereits bei den Thesen eingangs erläutert, die Visualisierungskompetenz der Studierenden (auch in Hinblick auf deren Employability) schärft. Beispiele derartiger Aufträge sind die Erstellung eines Prozessablaufplans im Rahmen eines Studienprojektes oder auch einer Learning Landscape zu einem Themenbereich, deren Präsentation interaktiv erfolgen soll.
Indem die Studierenden einen derartigen Visualisierungsauftrag erarbeiten, sind sie ebenfalls mit der didaktischen Aufbereitung ihrer anzufertigenden Visualisierungen betraut und durchlaufen, wie auch Lehrende beim didaktischen Visualisieren, die folgenden drei Phasen:
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1. Didaktische Reduktion Informationen/Daten nach thematischen aber auch didaktischen Kriterien filtern, Prioritäten setzen, um zum Verständnis notwendige Informationen und Daten in Visualisierung zu berücksichtigen;
2. Umsetzung der Visualisierung Visualisierung nach jeweiliger auftragsbedingter Formatvorgabe derart erstellen, dass die spätere Präsentation der Visualisierung bestenfalls mit Interaktion der Rezipienten einhergeht und diese nicht nur „konsumieren“ sondern zur Visualisierung in Interaktion miteinander treten, was die Festigung des Visualisierungsinhaltes nachhaltig;
3. Kritische Reflexion und Optimierung Kritische Betrachtung der erstellten Visualisierung unter thematischen und didaktischen sowie auch methodischen Gesichtspunkten: Ist die Visualisierung strukturiert aufgebaut? Sind Kernaussage und Kerninformationen ersichtlich? Wurde das Visualisierungsformat angemessen gestaltet und themenadäquat umgesetzt? Erschließt sich die Visualisierung selbsterklärend? Bietet sie Aktivitäts- und Interaktionsoptionen zur Aktivierung der Rezipienten? |
Didaktische Reduktion und Lehrplanung durch Visualisierung
Sie können die didaktische Visualisierung auch zur didaktischen Reduktion und zur Lehrplanung nutzen. Über die Visualisierung der Stofffülle und eine schrittweise, ebenfalls visuelle Reduktion gelangen Sie effektiv zu einer Klarheit der zu vermittelnden Inhalte, Ihrer Zielsetzungen und der notwenigen Reduktionen bezüglich der Lehr-Lerninhalte. Insbesondere eine kompetenzorientierte Lehrgestaltung fordert strikte didaktische Reduktion, um kompetenzorientierte Lehrsettings und Lernräume gestalten zu können (vgl. Sander, 2017). Diese Reduktionsfunktion lässt sich nutzen, indem man beispielsweise Cluster, Mindmaps, Fachlandkarten o. ä. zu den Lehrthemen, Lehrstoffen und Lehrgebieten anfertigt.
Hier ein Beispiel einer Fachlandkarte der Europäischen Ethnologie/Volkskunde, die als Einführung in das Fach sowie als Überblick der Lehr-Lernthemen einer Lehrveranstaltung fungiert und Themen für Exkurse, Studierendenvorträge oder Hausarbeiten beinhaltet:
Zur eigenen Erstellung einer Fachlandkarte siehe auch Fachlandkarte.
Formate der Visualisierung
Wenn es um die Suche nach dem geeigneten Format der Visualisierung geht, steht als Kriterium die Einsatzfähigkeit des jeweiligen Visualisierungsformates im Vordergrund. Welches Format ist für die Zielsetzung des Einsatzes einer Visualisierung innerhalb des fachspezifischen Kontextes sowie für die jeweilige Lerngruppe angemessen?
Übersicht mit einer Auswahl an für Lehrsettings geeigneten Formaten
Abstraktionsgrade der Visualisierung
Je nach Zielsetzung und Inhalt sollten Sie sich bewusst für einen Abstraktionsgrad der Visualisierung entscheiden. Hier eine visualisierte Übersicht zu den Abstraktionsgraden, die Ihnen die Entscheidung erleichtert und deutlich macht, dass die Stufen von bildhaft zu formal/struktural diverse Visualisierungsformate bereit halten (siehe Abschnitt „Formate der Visualisierung".
Erstellung einer Visualisierung
Um zu visualisieren, bedarf es lediglich Ihrer Bereitschaft, kreativ mit der Thematik umzugehen, einer Visualisierungsgrundlage und eines Stiftes zur Anfertigung der Zeichnung. Starten Sie z. B. mit einem Flipchart-Papier. Hierfür benötigen Sie lediglich einen Flipchartmarker. Sie können Visualisierungen analog oder digital erstellen. Allerdings sollten Sie sich erst auf analoger Ebene erproben, da die digitale Erstellung einer gewissen Gestaltungssicherheit bedarf, die Sie durch analoge Übung erlangen.
Als Grundausstattung zur Erstellung eigener didaktischer Visualisierungen eignen sich für die …
… analoge Visualisierung:
- Papier und Stifte, Marker, Kreiden;
- Tafel und verschiedenfarbige Kreiden;
- Flipchart, Flipchartpapier und verschiedenfarbige Flipchartmarker sowie Neonmarker zum Akzentuieren;
- Metaplanwände, Metaplanpapier und verschiedenfarbige Flipchartmarker sowie Neonmarker zum Akzentuieren;
- Overheadprojektor, OHP-Folie und verschiedenfarbige OHP-Marker;
- Presenter, Papier und verschiedenfarbige Stifte;
… digitale Erstellung einer Visualisierung
- Smartboard und Smartboard-Stifte;
Es können allerdings auch analog erstellte Visualisierungen in fotografischem oder gescanntem Format fixiert werden (z. B. als PDF, JPG, PNG) und in digitale Lehrmaterialien integriert werden.
Es ist von besonderem Reiz und wirkt sich positiv auf die emotionale Lernbereitschaft der Rezipient*innen aus, Präsentationsfolien mit handgezeichneten Visualisierungen im Grafikformat eine persönliche Note zu verleihen.
Visualisierungselemente
Eine Visualisierung beruht auf unterschiedlichen Visualisierungselementen, die miteinander kombiniert werden. Diese Elemente zu zeichnen, ist nicht schwierig, da sie sich aus einfachen Linien und Formen zusammensetzen. Hier ein paar Visualisierungselemente zu Ihrer Anregung:
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Buchstaben -
Linien -
Pfeile -
Rahmen -
Sprechblasen -
Banner -
Einzelne Figuren -
Gruppe/n -
Landschaft -
Piktogramme (z. B. Buch, Glühlampe, Ausrufezeichen)
Um die Visualisierungen mit mehr Leben zu füllen, können Sie mit Schraffuren einzelne Elemente schattieren und mit zusätzlichen Linien einen 3D-Effekt erzielen. Auch farbige Akzentuierungen (mit farbiger Kreide, Marker o. ä.) sind schnell umgesetzt und effektvoll.
Achtung: nicht zu detailliert arbeiten. Hier einige Beispiele:
Erstellen Sie Ihren eigenen Symbol-Pool
Ein einmal angelegter Symbol-Pool, der ikonografisch gestaltete Symbole / Piktogramme enthält, wird Ihnen über viele Jahre hinweg dienlich und Ihnen insbesondere bei der Aufbereitung der Lehr-Lern-Materialien von großem Nutzen sein. - Seien es Folien, Arbeitsblätter, Skripte oder Handouts, die Sie mit den Symbolen versehen können. Die Lerngruppe wird es Ihnen danken, da mit diesen visuellen Elementen u. a. Texte gegliedert, auf wichtige Aspekte, Links oder Literatur hingewiesen und fachspezifische Hervorhebungen vorgenommen werden können.
Erstellen Sie Ihre eigene Fachlandkarte
Hier einige Tipps, Anregungen und Fragen zur Zeichnung einer Fachlandkarte:
- Nutzen Sie ein Papier im Mindestformat DIN A3.
- Umreißen Sie ein organisch anmutendes Objekt.
- Skizzieren Sie anliegende Fächer, nutzen Sie hier Grenzlinien zur Distanzierung.
- Welches sind die Fachgebiete Ihres Faches? Zeichnen Sie diese in den Umriss ein.
- In welche einzelnen Themenaspekte gliedern sich die Fachgebiete („Provinzen“)?
- Platzieren Sie Schlüsselbegriffe (z. B. als Ortschaften oder Städte).
- Zeichnen Sie Vertreter*innen der Fachgebiete an besonderen Standorten ein.
- Stellen Sie Relationen mittels Wegen und Straßen oder Flüssen dar.
- Nutzen Sie die Legenden-Symbole der Kartographie, um Bedeutungen aufzuzeigen (Beispiel in Karte oben: „Sumpf des Vergessens“).
- Zeichnen Sie Inseln für Exkurs-Themen oder verwandte Themenaspekte.
Siehe auch Fachlandkarte.
Literatur und Links
Bauer, A. (2015). Argumentieren mit multiplen und dynamischen Repräsentationen. Würzburg: University Press.
Böhringer, J./ Bühler, P./ Schlaich, P. (2008). Kompendium der Mediengestaltung Digital und Print: Konzeption - Gestaltung - Produktion - Technik. Heidelberg: Springer-Verlag GmbH.
Civaschi, M./ Milesi, G. (2014). Das Leben in 5 Sekunden. 200 Biographien von Gott bis Pippi Langstrumpf. 2. Aufl., Frankfurt a. M.: S. Fischer Verlag GmbH.
e-teching.org (2015): Funktionen von Visualiserungen. Abrufbar unter: https://www.e-teaching.org/didaktik/gestaltung/visualisierung/funktionen (abgerufen am: 01.02.2017)
Franck, N. / Stary, J. (2006): Gekonnt visualisieren. Medien wirksam einsetzen. Paderborn: Schönigh.
Gebhard, U. (2007). Sinn und Erfahrung: zum Verständnis fachlicher Lernprozesse in der Schule. Leverkusen: Verlag Barbara Budrich.
Haussmann, M./ Scholz, H. (2009). Bikablo 2.0: Neue Bilder für Meeting, Training & Learning. München: Redline Verlag.
Haussmann, M. (2014). UZMO – Denken mit dem Stift. Visuell präsentieren, dokumentieren und erkunden. München: Redline Verlag.
Hoffmann, J./ Engelkamp, J. (2013). Lern- und Gedächtnispsychologie. Heidelberg: Springer-Verlag GmbH.
Hoffmann, M. H.G. (2001). Peirces Zeichenbegriff: seine Funktionen, seine phänomenologische Grundlegung und seine Differenzierung. Abrufbar unter: http://www.uni-bielefeld.de/idm/semiotik/Hoffmann-Peirces_Zeichen.pdf (abgerufen am: 01.02.2017)
Honey, P./ Mumford, A. (1992). The Manual of Learning Styles. Maidenhead: Berkshire.
Jonassen, D. H./ Grabowski, B. L. (1993). Handbook of Individual Differences, Learning, and Instruction. Hillsdale NJ: Lawrence Erlbaum.
Kjär, H. (2010): Grundlagen visueller Kommunikation für die Hochschullehre. In: Auferkorte-Michaelis, N./Ladwig, A./ Stahr, I. (Hrsg.): Hochschuldidaktik für die Lehrpraxis. Interaktion und Innovation für Studium und Lehre an der Hochschule. Leverkusen-Opladen: Budrich UniPress.
Paivio, A (1978). Comparisons of mental clocks. In: Journal of experimental psychology Human perception and performance, 4, 1, 1978, S. 61–71.
Peirce, C. S. (1991). Naturordnung und Zeichenprozeß. Schriften über Semiotik und Naturphilosophie. (2. Aufl. 1988). Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag.
Rachow, A./ Sauer, A. (2015). Der Flipchart-Coach. Profi-Tipps zum Visualisieren und Präsentieren am Flipchart. Bonn: managerSeminare Verlags GmbH.
Sander, B. (2017): Didaktische Reduktion in der kompetenzorientierten Lehrgestaltung. In: Reihe Workshops on demand, Ausgabe 1/2017. Abrufbar unter: http://workshopson.org/publikationsreihe/ (abgerufen am: 01.02.2017)
Seifert, J. W. (2011). Visualisieren, präsentieren, moderieren. Wiesbaden: Gabal.
Truttmann, P. (o. J.). Kursunterlagen zum DidacticaKurs „Visualisieren von Lerninhalten“. Übernommen aus: Universität Zürich. Hochschuldidaktik A – Z. Visualisierungen. Abrufbar unter: http://www.hochschuldidaktik.uzh.ch/dam/jcr:ffffffff-9a08-8cca-0000-00000c9c4492/A_Z_Visualisierungen.pdf (abgerufen am: 01.02.2017)
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