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Lehren im interkulturellen und internationalen Raum

  • Nicht alle Studierenden können Auslandserfahrungen sammeln, deshalb ist Internationalisation at Home wichtig.
  • Studierende können sich im Studium „zuhause“ aktiv und bewusst mit kultureller Diversität auseinandersetzen und eine internationale Perspektive einnehmen, wenn die Lehre darauf ausgerichtet ist.
  • Formen interaktiven Lernens in kulturell heterogenen Arbeitsgruppen eignen sich besonders gut, um interkulturelle Kompetenzen von Studierenden zu fördern.
  • Neben der Lehre können Fakultäten interkulturelles Peer-Tutoring bzw. Peer-Learning auch durch übergreifende Angebote wie Buddy-Programme umsetzen.

Hintergrund

Dass internationale und interkulturelle Erfahrungen im Studium nachhaltige positive Effekte zeigen, ist belegt [1] und findet breiten Konsens: Studierende üben sich im Umgang mit Ambiguität, setzen sich mit unbekannten Perspektiven und Werthaltungen auseinander, reflektieren den Einfluss kultureller Faktoren auf die eigene Haltung und können sich akademisch ein breiteres Repertoire an Theorien und Methoden erschließen. Da auch die Arbeitswelt für Akademiker*innen zunehmend internationaler wird, stellen die Fähigkeit zu interkultureller Kommunikation und zum Umgang mit Diversität sowie eine internationale Perspektive in nahezu allen Berufsfeldern wichtige Schlüsselkompetenzen dar.

Obwohl niedrigschwellige Förderprogramme für studienbezogene Auslandsaufenthalte wie Erasmus+ und weitere des DAAD existieren, können oder wollen nicht alle Studierenden ins Ausland gehen – insbesondere in den Naturwissenschaften liegt die Studierendenmobilität noch immer unterdurchschnittlich [2]. Hinderungsgründe können u.a. in sozialen und anderen Verpflichtungen liegen oder darin, dass Studierende finanziell auf Nebenjobs angewiesen sind. [3]

Internationalisation at Home, der „Internationalisierung zuhause“, kommt deshalb eine zentrale Bedeutung zu, an der mitzuwirken somit eine Aufgabe der akademischen Lehre darstellt. In ihrer Stellungnahme „Zur Internationalisierung der Curricula“ hebt die Hochschulrektorenkonferenz hervor, dass Internationalisierung zu einer universellen Aufgabe der Hochschulen geworden ist, die explizit die Lehre einschließt (vgl. HRK 2017, S. 2). Beelen (2017) sieht in Lehrenden zentrale Stakeholder für die Implementierung von Internationalisation at Home, und weist zugleich darauf hin, dass die meisten Hochschulen dem noch zu wenig Rechnung tragen, beispielsweise durch entsprechende Qualifizierungsangebote (vgl. Beelen 2017, S. 140).

[1] vgl. z.B. Erasmus Impact Study 2014

[2] Die Unterschiede bei der Studierendenmobilität zwischen den Fächergruppen deutschlandweit gehen z.B. aus dem Bericht „Wissenschaft weltoffen“ des DAAD hervor: Demnach entfielen im Jahr 2017 nur 26 Prozent der studienbezogenen Auslandsaufenthalte deutscher Studierender auf die Fächergruppe der Naturwissenschaften, während z.B. 41 Prozent der mobilen Studierenden aus den Sprach- und Kulturwissenschaften und 30 Prozent aus den Sozialwissenschaften kamen. (vgl. DAAD / DZHW 2019, S. 97)

[3] Dies geht hervor aus der Befragung von Teilnehmenden des Buddy-Programms zu ihrer Haltung gegenüber Auslandsaufenthalten vor und nach der Teilnahme.

Was verstehen wir unter „Internationalisation at Home“?

Unter Internationalisation at Home (im Folgenden kurz: IaH) verstehen wir mit der breit geteilten Auffassung von Beelen und Jones (2015) die Integration internationaler und interkultureller Dimensionen in das Studium und die lokale Lehre: „Internationalisation at Home is the purposeful integration of international and intercultural dimensions into the formal and informal curriculum for all students within domestic learning environments“ (Beelen / Jones 2015, Kap. 4.6).
Diese Definition schließt neben der Internationalisierung des Curriculums als strukturelle Form der IaH gleichberechtigt auch das „informelle Curriculum“ ein, das heißt sowohl überfachliche Angebote wie beispielsweise Buddy-Programme als auch die Ausgestaltung der Lehre.
Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass sich Maßnahmen zur IaH an alle Studierenden gleichermaßen richten und keine exklusive oder marginale Option bleiben sollen („for all students“). Daraus folgt, dass internationale und/oder interkulturelle Perspektiven stets bei der Konzeption und Umsetzung von einzelnen Lehrveranstaltungen berücksichtigt werden sollten.

Unter der Integration von Internationalisation at Home ins Fachstudium verstehen wir im Folgenden also die konzeptionelle Verankerung von Elementen, die lokale wie internationale Studierende dazu anregen, sich aktiv und bewusst mit kultureller Diversität auseinanderzusetzen und eine internationale Perspektive einzunehmen, und die den Austausch und die Zusammenarbeit in heterogenen Arbeitsgruppen fördern. Das besondere Potenzial der Integration von IaH liegt darin, dass sie auch längerfristig Synergieeffekte zeigen und sich nachhaltig positiv auf die Qualität der Lehre, das Gelingen studentischer Zusammenarbeit, die individuelle Lernmotivation und die Diversitätskompetenz von Studierenden wie Lehrenden auswirken kann.

Wie können Studium und Lehre international(er) gestaltet werden?

Heutige Universitäten zeichnen sich durch hohe Diversität und Internationalität ihres Personals und ihrer Studierenden aus – sie lassen sich somit als multilinguale und multikulturelle Räume verstehen, die dem gemeinsamen und interaktiven Lernen und Forschen dienen. Aus Studien [1] und durch Rückmeldungen von Lehrenden wissen wir zudem, dass seitens internationaler Studienanfänger*innen der fachliche Vorwissensstand heterogen ist, je nach Herkunftsland die akademische „Lehr- und Lernkultur“ teils stark von der in Deutschland etablierten abweicht (vgl. z.B. Hiller 2017) und die Wissenschafts- und Fachsprache vor allem zu Beginn Schwierigkeiten bereitet. Diese und weitere Faktoren erschweren die Partizipation und können den Studienerfolg gefährden: „Den Ausschlag für den Studienabbruch geben nur selten mangelnde Fähigkeiten, oft dagegen Gründe wie fehlendes Zugehörigkeitsgefühl zur Hochschule oder die Schwierigkeit, sich im unbekannten Studiensystem zurechtzufinden“ (SVR-Forschungsbereich 2017, S. 33).

Um eine internationale und interkulturelle Dimension in Studium und Lehre zu integrieren, sind sehr vielfältige Ansätze möglich. Welche IaH-Maßnahmen sinnvoll und effektiv sind, richtet sich nach den spezifischen Voraussetzungen der Hochschule, der Fakultät und der individuellen Lehrveranstaltung, so dass diese sehr unterschiedlich ausfallen können. Auf Ebene der Lehre können Sie beispielsweise bei der Definition der Lernziele eine internationale Dimension berücksichtigen sowie bei der Auswahl der Seminarliteratur und weiterer Arbeitsmaterialien auf interkulturelle Ausgewogenheit bzw. Diversität internationaler Perspektiven achten. Einige Schlüsselmerkmale und Ansätze für die praktische Umsetzung von IaH in der Praxis führen Jones und Reiffenrath für die gleichnamige Expert Community der European Association for International Education (EAIE) an. [2] Eine Sammlung von Ressourcen für die praktische Umsetzung finden Sie außerdem am Ende dieses Beitrags.

Qualitätskriterien und fundierte Empfehlungen, wie verschiedene Akteure die sprachliche und kulturelle Vielfalt an Hochschulen produktiv nutzen können, gehen aus einem internationalen Projekt zu den Chancen und Herausforderungen im multikulturellen und multilingualen Lernraum hervor (vgl. Lauridsen et al. 2015). Der Gruppe der Lehrenden empfehlen die Autor*innen, ein explizites Bewusstsein für die Lehr- und Lernprozesse zu schaffen („Raising awareness about teaching and learning“). Das beinhaltet, die eigenen Lehrmethoden, die Erwartungen an die Studierenden sowie Prüfungsformen und Bewertungskriterien transparent zu machen, explizit zu besprechen und ggf. gemeinsam mit den Studierenden teilweise neu auszuhandeln. Dies erfordert neben Selbstreflexion auch Aufgeschlossenheit gegenüber anderen, ggf. neuen Lehr- und Lernformen: „This may also mean embracing a change in methodologies, such as team teaching (language and subject teachers), peer-tutoring, and tandem learning, as well as reflection on these processes“ (Lauridsen et al. 2015, S. 21). Darüber hinaus stellt sich Lehrenden die Aufgabe die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Studierenden gleichberechtigt partizipieren können, d.h. die existierende Diversität aktiv zu „managen“ und als Ressource zu nutzen: „Using cultural diversity as a classroom resource includes finding ways of integrating experiences and knowledge of both internationally mobile students and local students from diverse backgrounds“ (Jones / Reiffenrath 2020).

Insbesondere in Studiengängen mit einem hohen Anteil internationaler Studierender besteht ein wichtiger und effektiver Ansatz für den produktiven Umgang mit Diversität im akademischen Lehr- und Lernkontext darin, für einen stärkeren Austausch zwischen lokalen und internationalen Studierenden zu sorgen und Formen interaktiven Lernens in kulturell heterogenen Arbeitsgruppen zu fördern, durch „teambuilding and collaboration, using the cultural diversity of the students as a resource, and openly discussing cultural differences and cultural expectations“ (Lauridsen et al. 2015, S. 21). Eine interaktive Lernform, die sich dafür gut eignet, ist das Peer-Learning.

Unter Peer-Learning versteht man „ein Konzept, in welchem die Vermittlung von Lerninhalten aktiv und interaktiv zwischen Lernenden gestaltet wird“ (Gerholz 2014, S. 165). Ein „Peer“, d.h. ein Angehöriger der gleichen sozialen Gruppe, ist im akademischen Bereich also ein*e Mitstudierende*r, im gleichen oder einem höheren Semester. Ein großer Vorteil des Peer-Learning-Ansatzes besteht darin, dass er eine „vertrauensvolle Lernatmosphäre“ schafft, „in der Studierende ermutigt werden, Fragen zu stellen, eigene Probleme zu thematisieren und Feedback zu geben, was gleichzeitig die Lernmotivation erhöhen und soziale Isolation vermeiden kann“ (Gerholz 2014, S. 166).

Was versteht man unter Peer-Learning?

Im Peer-Learning laufen nicht nur fachliche sondern, durch die persönliche Interaktion, auch soziale Lernprozesse ab. Stellt man die Peer-Learning-Teams kulturell heterogen zusammen, ist mit diesem sozialen Lernen auch interkulturelle Kommunikation und kulturelles Lernen verknüpft, bei dem Studierende unter Umständen ihre „gewohnte persönliche bzw. kulturelle ‚Komfortzone’ verlassen müssen“ (Otten / Scheitza 2015, S. 22). Gerade dieses „Verlassen der Komfortzone“ kann als starker Katalysator für Reflexionsprozesse über die eigene kulturelle Prägung fungieren und die Basis dafür bilden, sich in Personen mit einem anderen kulturellen Hintergrund hineinversetzen zu können.

[1] u.a. die Sondererhebung zu internationalen Studierenden im Rahmen der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks und des DZHW; zu den Ergebnissen vgl. Apolinarski, B. / Brandt, T.: Ausländische Studierende in Deutschland 2016. Ergebnisse der Befragung bildungsausländischer Studierender im Rahmen der 21. Sozialerhebung. Bonn: BMBF 2018.

[2] www.eaie.org/blog/internationalisation-at-home-practice.html

Praxisbeispiel: Buddy-Programm Natural.PALS – Interkulturelles Peer-Learning und Peer-Tutoring in den Naturwissenschaften

Das Buddy-Programm Natural.PALS habe ich im Rahmen des Teilprojekts „Internationalization at Home“ des BMBF-geförderten QPL-Projekts inSTUDIESplus konzeptioniert und seit 2017 in Kooperation mit der Fakultät für Biologie und Biotechnologie umgesetzt. Es richtet sich an Studierende der Naturwissenschaften, ist im Grundsatz auf andere Fachbereiche übertragbar sowie hinsichtlich des Ansatzes sowie seiner Methoden und Komponenten für einzelne Lehrveranstaltungen adaptierbar.

Den Kern des Programms bildet das Prinzip eines interkulturellen Peer-Tutorings bzw. Peer-Learnings: Innerhalb einer Fakultät vermitteln wir internationalen Studienanfänger*innen lokale Studierende als Peer-Tutor*innen. Dabei streben wir ein Verhältnis von 1:1 an, je nach Bewerberverhältnis sind auch 2:1-Teams möglich. Die Zuordnung folgt einem Matching-Verfahren, das sich primär nach Studiengang, Interessen und Sprachkenntnissen richtet. Der Ansatz dieses Peer-Tutorings bzw. Peer-Learnings in kleinen Teams ermöglicht den Studierenden personalisiertes und interkulturelles Lernen auf Augenhöhe. (mehr dazu im folgenden Abschnitt)

Die lokalen Studierenden erhalten zur Qualifizierung eine Schulung und nehmen an einem interkulturellen Training teil, das sie für kulturelle Unterschiede in Kommunikation und Bildungssystemen sowie die eigene kulturelle Prägung sensibilisiert. Zur Vorbereitung der internationalen Studienanfänger*innen haben wir eine inzwischen frei verfügbare E-Learning-Schulung entwickelt.

In drei zentralen Veranstaltungen, die sich über die Vorlesungszeit verteilen, können sich die Studierenden in der größeren Gruppe austauschen. Zu Beginn dient eine Auftaktveranstaltung dem Kennenlernen sowie der Planung der Peer-Learning-Treffen. Nach etwa der Hälfte des Semesters können sich die Teilnehmenden in einem Reflexions-Kolloquium über ihre bisherigen Erfahrungen austauschen, ihren Lernprozess reflektieren und ggf. neue Ansätze für die weitere Zusammenarbeit entwickeln. In einer Abschluss-Veranstaltung resümieren sie ihren individuellen „learning outcome“.

Ergänzend beinhaltet das Programm einige variable Komponenten, die je nach Studiengang und für lokale und internationale Studierende unterschiedlich ausfallen, beispielsweise Angebote zur Sprachpraxis, internationale Vorträge oder Workshops zu Schlüsselkompetenzen für die Internationalen. (Details zur Programmstruktur finden Sie hier unter unter „Ablauf“.)

Das Programm verzahnt auf diese Weise die interaktive Aneignung interkultureller Kompetenzen mit der Entwicklung einer internationalen Perspektive auf das eigene Fachstudium.

Interkulturelles Peer-Learning / Peer-Tutoring als Ansatz für Internationalisation at Home - Erfahrungen

Das Modell des Buddy-Programms Natural.PALS sieht auf Bachelor-Ebene ein Peer-Tutoring zwischen einem internationalen Studienanfänger und einem fortgeschrittenen lokalen Studierenden (ab 3. Semester) vor, d.h. der „Peer“ hat fachlich einen Wissens- bzw. Erfahrungsvorsprung – das kulturelle Lernen findet dabei dennoch auf Augenhöhe statt. Auf Master-Ebene hingegen kommen zwei Studienanfänger zusammen, die im Peer-Learning arbeiten, sich die Studieninhalte gemeinsam erschließen, sich darüber austauschen und zusammen lernen.

   

Die Peer-Learning-Treffen (mind. zwölf Stunden insgesamt) organisieren und gestalten die Studierenden während des Semesters eigenverantwortlich und dokumentieren sie mithilfe einer Terminliste. Im direkten Austausch lernen sie voneinander (international) verschiedene methodische Zugänge, Perspektiven, Lernstrategien und Arbeitsweisen kennen und können so erproben, in einem kulturell heterogenen Team zusammenzuarbeiten. Die Erfahrungsberichte der Studierenden spiegeln, dass auf diese Weise auch Unterschiede in den Hochschul- und Studiensystemen der verschiedenen Länder offenbar wurden.

Gleichermaßen erwarben die Teilnehmenden Wissen über das jeweilige Herkunftsland des „Buddys“ aus einer persönlichen Perspektive. Kulturelle Unterschiede traten in der Zusammenarbeit teils auf der Verhaltensebene zutage, so dass sich die Studierenden offen darüber austauschen konnten. Viele beschrieben, dass sie dadurch eine neue Perspektive auf die eigene kulturelle Prägung einnahmen und vermeintliche Selbstverständlichkeiten der eigenen Lebenswirklichkeit als relativ erkannten.

Der Großteil der Studierenden bewertete diese Prozesse als bereichernde Erfahrung, verbunden mit der Einschätzung, von den Erkenntnissen und der veränderten Haltung zukünftig profitieren zu können. Mehrfach schilderten lokale Teilnehmende eine gestiegene Sensibilität und Empathie für die Situation internationaler Studierender sowie eine größere Bereitschaft proaktiv Kontakt herzustellen.

Empfehlungen zur Umsetzung von IaH durch Integration von interkulturellem Peer-Learning in der Lehre

Im Folgenden stelle ich einige Vorschläge vor, wie Sie den Ansatz des interkulturellen Peer-Learnings für Ihre Lehre adaptieren können und leite aus den im Rahmen des Buddy-Programms gewonnenen Erfahrungswerten einige Hinweise und Empfehlungen ab.

Um interkulturelles Peer-Learning in kulturell heterogenen Gruppen im Rahmen einer Lehrveranstaltung zu integrieren, muss die kulturelle Diversität der Teilnehmenden zunächst erkennbar werden – Einflüsse aus anderen Kulturen können unmittelbar (wie z.B. bei Bildungsausländer*innen) bestehen, oder mittelbar durch eine Migrationsgeschichte der Familie, durch einen ausländischen Elternteil oder Partner*in oder durch einen längeren Lebensabschnitt im Ausland. Um dies „abzubilden“, besteht eine Möglichkeit darin, zu Beginn der Lehrveranstaltung einmal explizit zu thematisieren, was jede*r „mitbringt“, beispielsweise im Rahmen einer Vorstellungsrunde, in der jede*r Teilnehmer*in auf seinen*ihren kulturellen Hintergrund und Sprachkenntnisse eingeht. Im Buddy-Programm kamen so genannte „soziometrische Übungen“ zum Einsatz, bei denen sich die Personen im Raum wie auf einer Landkarte aufstellen. Alternativ möglich sind Partnerinterviews, bei denen im Anschluss der Interviewpartner vorgestellt wird. Soll der persönliche Hintergrund nicht in der gesamten Gruppe thematisiert werden, können Sie es den Studierenden auftragen, durch Kommunikation untereinander eine*n Studierende*n mit einem anderen als dem eigenen kulturellen Hintergrund ausfindig zu machen – beispielsweise im Rahmen von „Speed-Meetings“, bei denen nach kurzer Zeit der*die Gesprächspartner*in wechseln muss.

Eine alternative Möglichkeit besteht darin, bereits bei der Anmeldung für die Lehrveranstaltung entsprechende Angaben abzufragen und die Peer-Learning-Teams anhand dieser Informationen vorab zusammenzustellen. Allerdings dürften diese personenbezogenen Angaben nur auf freiwilliger Basis erfolgen und der Datenschutz ist hier gegen den Nutzen abzuwägen. Die Team-Zuordnungen können Sie entweder bereits im Voraus oder in der ersten Seminarsitzung bekannt geben. Es ist auch bei einem Vorab-Matching empfehlenswert, bei der ersten Sitzung eine der oben beschriebenen Methoden für ein strukturiertes Kennenlernen der Teams als „Starthilfe“ einzusetzen.

In fortgeschrittenen Phasen, wenn Sie in der Lehrveranstaltung bereits Arbeitsergebnisse diskutieren oder Studierende diese vorstellen sollen, können Sie erwägen, die Zweier-Teams zum Austausch mit anderen in größeren Gruppenstrukturen zusammenzubringen und die Lernpartner dabei ggf. bewusst zu splitten, um eine stärkere „Durchmischung“ zu erreichen. In den Veranstaltungen des Buddy-Programms haben wir dafür verschiedene Gruppenmoderationsmethoden wie Speed-Meeting oder World Café eingesetzt. Sofern es Thema und Fokus der Lehrveranstaltung zulassen, können Sie dabei internationale Unterschiede in wissenschaftlichen Theorien, Ansätzen und Lehr- und Forschungstraditionen explizit thematisieren und den Teilnehmenden Raum geben, ihre eigenen Erfahrungen und ihr Wissen diesbezüglich einzubringen. Im Buddy-Programm hatten die Teilnehmenden beispielsweise Gelegenheit, im Rahmen einer Kurzpräsentation ein selbst gewähltes Thema mit Perspektive auf das Herkunftsland des Internationalen oder jeweils auf beide verschiedenen Herkunftsländer zu erarbeiten und darzustellen.

Bei der Umsetzung von Peer-Learning in 1:1-Teams ist zu bedenken, dass dieser Ansatz naturgemäß eine wechselseitige Abhängigkeit der beiden Lernpartner*innen mit sich bringt. Das impliziert, dass mangelndes Engagement oder gänzliche „Verweigerung“ eines*r Lernpartners*in sich jeweils negativ auf den anderen auswirken und dessen Lernerfolg gefährden kann. In diesem Fall ist eine individuelle Rücksprache und Beratung erforderlich. Im Verlauf des Buddy-Programms stellten diese Fälle jedoch die Ausnahme dar, in der Regel führte ein Gefühl der Verantwortung dem Lernpartner gegenüber eher zu mehr Verbindlichkeit. Ich empfehle außerdem, zu Beginn bestimmte Grundregeln für die Zusammenarbeit aufzustellen, die für alle verbindlich gelten. Im Buddy-Programm haben wir als optionales Instrument zudem ein „Buddy-Agreement“ entwickelt, in dem die Lernpartner individuelle Vereinbarungen treffen konnten.

Aus dem gleichen Grund empfiehlt es sich, benotete Prüfungen unabhängig vom vorangehenden Peer-Learning als Individualleistungen abzunehmen. Unbenotete Leistungskomponenten wie mündliche Präsentationen eignen sich hingegen gut als Bestandteil der Arbeit im Peer-Learning-Team. Die Erfahrung im Buddy-Programm hat gezeigt, dass ein gemeinsames Vorbereiten und Vortragen der Präsentation insbesondere den internationalen Studierenden mehr Sicherheit und Selbstvertrauen vermittelte.

Ressourcen für die Umsetzung von IaH in der akademischen Lehre

Projekt „MuMiS” - Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium (Universitäten Siegen, Kassel und Hamburg)

Das Projekt MuMiS hat ein breites Instrumentarium zum Umgang mit Herausforderungen im Kontext von Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium entwickelt, darunter eine Sammlung von Critical Incidents, Materialien für die englischsprachige Lehre, sowie Trainingsmaterial rund um die „deutsche akademische Kultur“. Alle im Projekt entwickelten Ansätze und Materialien sind unter Creative Commons-Lizenz auf der Projektwebseite verfügbar.

Broschüre zu interkulturellen Critical Incidents im Hochschulkontext (Deutsches Studentenwerk)

Die Broschüre enthält Critical Incidents, d.h. Schilderungen beispielhafter sozialer Situationen, die kulturbedingte Missverständnisse oder Konflikte beinhalten – kommentiert werden diese Fallbeispiele von verschiedenen Akteuren aus dem Hochschulkontext und Studierenden, woraus sich multiperspektivische Erklärungsansätze ergeben.

Deutsches Studentenwerk (Hg.): Eine Frage der Perspektive. Critical Incidents aus Studentenwerken und Hochschulverwaltung. 30 Fallbeispiele aus der Praxis mit 93 interkulturellen Einschätzungen von Studierenden und Mitarbeitenden. Für Alltag und Trainings. Berlin: DSW 2016.  Abruf 23.12.2016.

Projekt “IntlUni” – The Challenges of the Multilingual and Multicultural Learning Space (Universitäten Aarhus (DK), Groningen (NL) und Frankfurt Oder (DE))

Das internationale Erasmus Academic Network Project „IntlUni” befasste sich von 2012 bis 2015 mit den Herausforderungen und Chancen, die sich im mehrsprachigen und multikulturellen Lernraum ergeben. Eingeflossen sind Erfahrungen und Praxisbeispiele von 38 Bildungseinrichtungen in 27 europäischen Ländern. Ergebnisse und Empfehlungen fasst der Abschlussbericht zusammen, einschließlich zentraler Qualitätskriterien für das Lehren und Lernen im multilingualen und multikulturellen Umfeld („IntlUni Principles”).

Lauridsen, Karen M. / Lillemose, Mette Kastberg (Hg.): Opportunities and challenges in the multilingual and multicultural learning space. Final document of the IntlUni Erasmus Academic Network project 2012-15. Aarhus: IntlUni 2015.

The IntlUni Principles for quality teaching and learning in the multilingual and multicultural learning space.

Handbuch & Trainingstools für interkulturelles Lernen an Hochschulen (Europa-Universität Viadrina)

Das Zentrum für interkulturelles Lernen an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) stellt auf seiner Webseite ein Handbuch sowie Seminarkonzepte, Übungen, Methoden und Kurzfilme mit „inszenierten“ Critical Incidents zur Verfügung.

Literatur zu IaH

Beelen, Jos / Jones, Elspeth: „Redefining Internationalization at Home”. In: Curaj, Adrian et al. (Hg.): The European Higher Education Area. Springer / Cham 2015, S. 59-72.

Beelen, Jos: „The missing link in internationalisation: Developing the skills of lecturers.“ In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung (ZFHE), Jg. 12 / Nr. 4 (Dezember 2017), S. 133-150.

DAAD / DZHW (Hg.): Wissenschaft weltoffen 2019. Daten und Fakten zur Internationalität von Studium und Forschung in Deutschland. Bielefeld 2019. DOI: 10.3278/7004002rw, URL: http://www.wissenschaft-weltoffen.de.

Gerholz, Karl-Heinz: „Peer Learning in der Studieneingangsphase – Didaktische Gestaltung und Wirkung am Beispiel der Wirtschaftswissenschaften.“ In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung (ZFHE), Jg.9 / Nr.5 (Dezember 2014), S. 163-178. Abruf: 20.12.2016.

Hiller, Gundula Gwenn: „No idea what the professor expects“. In: Forschung & Lehre, 24. Jg., Nr. 5/17 (2017). Abruf: 12.03.2020.

Hochschulrektorenkonferenz (Hg.): Zur Internationalisierung der Curricula. Empfehlung der 22. Mitgliederversammlung der HRK am 9. Mai 2017 in Bielefeld.

Jones, Elspeth / Reiffenrath, Tanja: „Internationalisation at Home in practice. Curriculum & Teaching”, Webseite der European Association for International Education (EAIE). Abruf: 01.04.2020.

Lauridsen, Karen M. / Lillemose, Mette Kastberg (Hg.): Opportunities and challenges in the multilingual and multicultural learning space. Final document of the IntlUni Erasmus Academic Network project 2012-15. Aarhus: IntlUni 2015.

Otten, Matthias / Scheitza, Alexander: Hochschullehre im multikulturellen Lernraum. Studie zur Bestandsaufnahme und Empfehlungen zur Planung hochschuldidaktischer Interventionen. Hg.: internationale DAAD-Akademie. Bonn: DAAD 2015. Abruf 18.11.2016.

SVR-Forschungsbereich (Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration; Hg.): Vom Hörsaal in den Betrieb? Internationale Studierende beim Berufseinstieg in Deutschland. Eine Studie des SVR-Forschungsbereichs. Berlin 2017.

Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium. Berlin: 2008.

Weiterführende Literatur

Jannike, Hille / Hiller, Gundula Gwenn / Vogler-Lipp, Stefanie: „Intercultural peer tutoring competences as a part of learning development in an international higher education context“. In: Journal of Learning Development in Higher Education, Special Edition: Academic Peer Learning, Part Two (April 2016).

Hiller, Gundula Gwenn / Vogler-Lipp, Stefanie (Hg.): Schlüsselqualifikation Interkulturelle Kompetenz an Hochschulen. Grundlagen, Konzepte, Methoden. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010. DOI: 10.1007/978-3-531-92019-1.

Mostovova, Elena / Hetze, Pascal: Wie international ist MINT? Indikatoren, Strategien, Instrumente. Essen: Edition Stifterverband 2018.

Nationales MINT-Forum (Hg.): Empfehlungen zur Internationalisierung des Studiums in den MINT-Fächern. München: Herbert Utz Verlag 2014.

Autor*in

  • Melina Wachtling, war bis März 2020 Mitarbeiterin im Projekt inSTUDIESplus und hat das Teilprojekt “Internationalization at Home” koordiniert. In diesem Rahmen hat sie das Buddy-Programm Natural.PALS und das Sprachtandem-Programm Tandem.MINT aufgebaut.